Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§s 58. Das Vereinswesen. 437 
oder sonstigen Meinungsäußerung (nicht notwendig durch 
Rede und Gegenrede, „Diskussion“ u. dgl.). 
Den Gegensatz dazu bildet z. B. die Menschenmenge, die 
sich die Truppenparade ansieht, oder die Zuhäörerschaft einer 
Theatervorstellung oder eine Ballgesellschaft: allen diesen Per- 
sonenmehrheiten, in denen jeder einzelne nur sein Schau-, Kunst- 
oder Vergnügungsbedürfnis befriedigen will, fehlt das Merkmal 
des gemeinsamen Zwecks und der Erörterung. Darum unterliegen 
die Veranstaltungen wissenschaftlicher oder künstlerischer Vorträge 
nicht den Beschränkungen des Ver G., etwa dem Sprachen-Para- 
graphen (Fall Amundsen, Verbot seines dänischen Vortrags in 
Flensburg, s. unten), wie sie anderseits auch nicht dessen Vergün- 
stigungen, namentlich den weitgehenden Schutz gegen Anwendung 
der allgemeinen sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Lan- 
desrechts, genießen (vgl. RSt. 38 184, OW. 56 299, KG. im 
Recht 14 34; s. auch DJZ. 11 100; 13 1372). 
2. Aber nicht einmal alle Menschenansammlungen, 
die hiernach Versammlungen sein würden, fallen unter 
das Ver G. Vielmehr sind von dessen Vorschriften aus- 
genommen die durch das Gesetz oder die zuständigen 
Behörden angeordneten Versammlungen (8 20), 
wie die Landtagsversammlungen oder ein von der Schul- 
behörde veranstalteter Festzug. Im übrigen gilt fol- 
gende: 
a. Offentliche Versammlungen. 
a. Offentliche Versammlungen unter freiem 
Himmel (vgl. § 8) und Aufzüge auf öffentlichen 
Straßen oder Plätzen, z. B. „Wahlrechtsspaziergänge“. 
(Rot. 44 370), bedürfen der schriftlichen Genehmi- 
gung der Polizeibehörde, welch erstere nur wegen zu be- 
fürchtender Gefahr für die öffentliche Sicherheit versagt 
werden darf (§ 7, Rechtsmittel in Preußen: Beschwerde 
oder Klage gemäß LWG. §§ 127 ff.). Gewöhnliche 
Leichenbegängnisse (G#St. 45 85) sowie Züge der Hoch- 
zeitsgesellschaften, wo sie hergebracht sind, sind nicht ge- 
nehmigungspflichtig (§ 9 II, 1; über die Zulässigkeit 
sonstiger Milderungen durch die Landeszentralbehörde 
vgl. § 9 I, II, 2). 
b. Alle öffentlichen Versammlungen und alle auf 
öffentlichen Straßen oder Plätzen stattfindenden Aufzüge 
betrifft das Waffen verbot des 8 11 (RGSt. 44 140), 
dem nur die vermöge öffentlichen Berufs zum Waffen-
	        
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