Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

g 58. Das Vereinswesen. 439 
Folge zu leisten, wenn die Polizeibehörde irrtümlich die 
Offentlichkeit der Versammlung angenommen hatte (RGSt. 
44 136; vgl. S. 229). 
8. Offentliche politische Versammlungen. 
Wenn der Deutsche Juristentag über die Beibehal- 
tung oder Abschaffung der Todesstrafe verhandelt und ab- 
stimmt, so ist er darum noch keine politische Versammlung 
(vgl. KG. im Recht 12 101). Der Erörterung muß viel- 
mehr, damit eine Zusammenkunft zur politischen Ver- 
sammlung wird, die Absicht innewohnen, unter Beein- 
flussung der staatlichen Funktionen vorzugehen (vgl. OV. 
56 299, also ähnlich wie beim politischen Vereine, S. 436). 
Für derartige Versammlungen zur Erörterung politischer 
Angelegenheiten gibt das Ver G. noch einige besondere 
Vorschriften. 
a. Wer eine öffentliche politische Versammlung veran- 
stalten will, hat hiervon mindestens 24 Stunden vor Be- 
ginn gemäß § 5 Anzeige zu erstatten. Diese ist jedoch (nach 
§ 0) nicht erforderlich für 
ziff "3 öffentlich bekanntgemachte Versammlungen (hiezu AusfVo. 
iff. D, 
2) gewisse Wählerversammlungen (S. 436), 
75 Koalitionsversammlungen (S. 434) nach GewO. § 152 
(vgl. Verf. vom 13. Mai 1908 Ziff. 9 und oben S. 357). 
b. Jede öffentliche politische Versammlung muß einen 
Leiter haben. Der Veranstalter kann die Leitung selbst über- 
nehmen, sie einem andern übertragen oder einen Leiter wählen 
lassen. Der Leiter und vor dessen Bestellung der Veranstalter 
hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen und kann die Versammlung 
für aufgelöst erklären (88 10, 16). 
c. Personen unter 18 Jahren dürfen in öffentlichen politi- 
schen Versammlungen nicht anwesend sein (8 17, vgl. auch S. 436). 
J. Vereinsversammlungen. 
Der Verein ist ein Dauer-, die Versammlung ein 
„Augenblicksverband“. Beide stehen nicht notwendig in 
Beziehungen. Es gibt Vereine, die keine Versammlungen 
abhalten (z. B. Lesevereine), und zahlreiche Versammlun- 
gen, die nicht von Vereinen veranstaltet sind. Die Ver- 
einsversammlungen unterstehen beim Vorhandensein der 
sonstigen Voraussetzungen auch dem Ver G. Auf öffentliche 
Vereinsversammlungen finden also die S. 437 erörterten 
Vorschriften Anwendung.
	        
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