Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 5. Die Staatsgewalt. 25 
Unterwerfung der Staatsangehörigen unter die fremde Staats- 
gewalt findet nicht statt (S. 176). 
Die völkerrechtliche Gleichstellung aller souveränen Staaten 
zeigt sich z. B. im gleichen Stimmrecht auf Staaten- 
kongressen. Immerhin haben die sog. Großmächte (das 
„europäische Konzert“", Deutschland, ÖOsterreich, Frank- 
reich, Großbritannien, Rußland, denen seit 1867 
Italien zugerechnet wird) vielfach die Weltgeschicke bestimmt, 
besonders in den Orientfragen (Pariser Friede, 1856, Berliner 
Kongreß, 1878, während in den Balkanwirren 1911—1913 die ver- 
schiedenen Interessen der beteiligten Großmächte ein gemeinsames 
Vorgehen verhinderten). Die Vereinigten Staaten von 
Nordamerika müßten bei Durchführung der Monroedoktrin 
(s. u.) sich jeder Einmischung in außeramerikanische Angelegen- 
heiten enthalten, haben aber z. B. in den ostasiatischen Fragen 
ihre Heranziehung verlangt. Seit 1894 beansprucht auch Ja- 
pan den Rang einer Großmacht. 
Die ehemaligen Rangordnungsstreitigkeiten auf 
internationalen Kongressen sind dadurch beseitigt, daß bei der 
Unterzeichnung internationaler Verträge die alphabetische Reihen- 
folge nach dem Französischen zugrunde gelegt wird. 
Aus der Unabhängigkeit des souveränen Staates er- 
gibt sich das Prinzip der Nichtintervention, 
d. h. die Nichteinmischung eines Staates in die inneren 
Angelegenheiten eines anderen. 
Am schärfsten ist dies Prinzip zum Ausdrucke gelangt in 
der sog. Monroedoktrin (Botschaft des amerikanischen Präsi- 
denten James Monroe vom 2. Dezember 1823), wonach („Amerika- 
den Amerikanern“) jede Einmischung europäischer Mächte in die 
Angelegenheiten Amerikas und jede Kolonisation amerikanischen 
Landes durch eine europäische Macht als unzulässig bezeichnet ist. 
Neuerdings wird in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 
die Monroedoktrin nicht nur dahin ausgelegt, daß nur den Ver- 
einigten Staaten diese Intervention in die Angelegenheiten an- 
derer amerikanischer Staaten („Amerika den Vereinigten Staaten“) 
zusteht, sondern die Vereinigten Staaten haben auch in Akbkehr 
von der Monroedoktrin sich in die Angelegenheiten anderer Staa- 
ten gemischt („Nordamerikanischer Imperialismus“: 
Beteiligung bei den chinesischen Wirren, Angliederung der Philip- 
pinen und von Portorico, Regelung der kubanischen Angelegen- 
heiten nach dem spanisch-amerikanischen Kriege von 1898). 
Tatsächlich finden Interventionen sehr häufig statt, 
z. B. zugunsten der Türkei nach dem Präliminarfrieden 
von St. Stephano (1878) seitens Englands und Oester- 
reichs. 
Die Gleichberechtigung aller souveränen Staaten
	        
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