456 8 61. Der Reichshaushalt.
Budgetrechts in den Verfassungen der deutschen Staaten. Die
einen schreiben (so z. B. das Reich und Preußen) jedesmalige
Feststellung des Etats „durch ein Gesetz“ vor, so daß also f#
sämtliche Ausgaben und Einnahmen die Zustimmung der
Volksvertretung erforderlich ist, während die anderen (so nament-
lich Bayern, Württemberg, Sachsen und Baden) der Volksver-
tretung ein (vorheriges) Zustimmungsrecht nur bezüglich der
Steuern, bezüglich der gesamten übrigen Positionen des Etats
aber lediglich ein (nachträgliches) Prüfungsrecht geben. Die
Grenzen werden in der Praxis aber vielfach verschoben.
b. Die Feststellung des Etats.
1. Etatsgesettz.
Gemäß RV. Art. 69 müssen alle Einnahmen und
Ausgaben des Reichs für jedes Jahr veranschlagt und
auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer
wird vor Beginn des Etatsjahrs durch ein Gesetz fest-
gestellt. Da der Reichshaushalts-Etat kein neues Recht
schafft, sondern nur Verwaltungsvorschriften über die
Verwendung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs
gibt, so ist er nur formell Gesetz, materiell hin-
gegen Verordnung (vgl. S. 150). Aus Art. 69 folgt aber,
daß er im Wege der Gesetzgebung, d. h. stets durch über-
einstimmenden Mehrheitsbeschluß von Bundesrat und
Reichstag (RV. Art. 5), festgestellt werden muß. Die
einjährige Wirtschaftsperiode (,Rechnungs-
jahr“) lief früher vom 1. Januar bis 31. Dezember, seit
dem RG. vom 29. Februar 1876 vom 1. April bis 31.
März. «
Aus Art. 69 in Verbindung mit Art. 70 II (Neu—
fassung des RG. vom 14. Mai 1904, vgl. RG. vom
3. Juni 1906, betr. die Ordnung des Reichshaushalts und
die Tilgung der Reichsschuld §8§ 2, 3) und Art. 71 folgt
ferner, daß die Bewilligung des Etats nur für ein Jahr
erfolgt, mit dem Ablaufe des Etatsjahrs also ein neues
Gesetz erlassen werden muß, die Reichsregierung nicht
aber auf Grund des alten Etats weiter wirtschaften darf.
Nicht unzulässig hingegen ist, daß der Etat durch mehrere
besondere Gesetze für mehr als ein Jahr vorher fest-
gestellt wird; vgl. z. B. RG. vom 2. März 1883 und
RG.vom 2. Juli 1883. Der Grundsatz der Etatsein-
heit wird nicht selten durch Nachtragsetats, d. h.