Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

484 8 63. Der gegenwärtige Rechtszustand in Elsaß-Lothringen. 
toren erforderlich, zu denen also in E.-L. — anders als 
im Reich — auch der Kaiser zählt. Die Ausfertigung 
und Verkündung der Gesetze liegt dem Kaiser ob. 
Die Bestimmungen des RG. vom 4. Juli 1879 über den 
Staatsrat und den Landesausschuß sind aufgehoben. Der Bun-ü 
desrat ist bei der Landesgesetzgebung durch den Landtag ver- 
drängt, außer hinsichtlich der Aufhebung oder Anderung des 
VerfassungsG., wofür nach Art. III ein Reichsgesetz erfor- 
derlich ist. Er hat ferner ein Vorschlagsrecht für die vom Kaiser 
zu ernennenden Mitglieder der ersten Kammer (Verfass G. § 6 III), 
das Zustimmungsrecht für die Kais L. über die Abgrenzung 
der Wahlkreise zur zweiten Kammer (WahlG. §8§ 1 IV) und die 
Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichs= und 
Landesverwaltung in Eisenbahnangelegenheiten (VerfassG. 8 24 
II, 2). Wo bisher der Bundesrat in einzelnen Gesetzen bzgl. des 
Reichslands besondere Befugnisse zugewiesen erhalten hatte, ist 
es dabei verblieben (vgl. z. B. Brausteuer G. § 59: Einbeziehung 
in die Brausteuergemeinschaft durch Bundesratsbeschluß, S. 467). 
b. Wenn die Kammern nicht versammelt sind, steht 
dem Kaiser das Recht zu, (vom Statthalter gegenzuzeich- 
nende) Notstandsverordnungen zu erlassen, die 
dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentreten vor- 
zulegen sind und (was in Preußen streitig, vgl. S. 579) 
ohne weiteres außer Kraft treten, wenn sie von ihm 
nicht genehmigt werden. 
c. Ein formelles Gesetz ist auch zur alljährlichen Fest- 
stellung des Landeshaushaltsetats notwendig. 
Der Etatsgesetzentwurf geht zuerst an die zweite Kammer. 
Deren Budgetrecht ist insofern beschränkt, als sie im 
Entwurfe nicht vorgesehene Erhöhungen oder Ausgaben 
nicht ohne Zustimmung der Regierung in den Etat ein- 
setzen kann. Damit soll der Einstellung ungedeckter Aus- 
gaben vorgebeugt werden. Die erste Kammer kann, wie in 
Preußen, das Etatsgesetz nur im ganzen annehmen oder 
ablehnen. Die für das Reich und einzelne Bundesstaaten 
streitige Frage, was zu geschehen hat, wenn das Etats- 
gesetz nicht rechtzeitig festgestellt (und nicht durch ein 
Notgesetz Abhilfe geschaffen) wird oder überhaupt nicht 
zustande kommt, ist für Elsaß-Lothringen dahin gere- 
gelt, daß die Regierung bis zur Feststellung des neuen 
Etats berechtigt bleibt, die bestehenden Steuern und Ab- 
gaben fortzuerheben (insoweit übereinstimmend mit Pr VU. 
Art. 109) und, soweit diese zur Deckung rechtlich be-
	        
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