Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

490 g 64. Geschichtliche Entwicklung. 
später mit einer andern Gesellschaft zur Deutschen Kolonial- 
gesellschaft vereinigt). 
b. Der Bremer Kaufmann Lüder itz erwarb 1883 mit 
Bismarcks Zustimmung von eingeborenen Kapitänen das Küsten- 
gebiet von Angra Pequena im heutigen Deutsch= Südwest- 
afrika und vermehrte diesen Besitz beträchtlich. 1884 ließ Bis- 
marck mit Rücksicht auf englische Einmischungsversuche amtlich 
erklären, daß diese Erwerbungen unter dem Schutze des Reiches 
ständen; doch wurden die Ansprüche Englands auf die auch jetzt 
noch englische Walfischbai anerkannt. Im selben Jahre schloß 
Dr. Nachtigall als Reichskommissar von Westafrika im Togo- 
gebiete mit den eingeborenen Häuptlingen einen Schutzvertrag und 
hißte auch in Kamerun — wo die Hamburger Firmen Woer- 
mann und Jantzen u. Thormählen von Dualahäuptlingen Rechte 
erworben hatten, in die das Reich später eintrat — die deutsche 
Flagge. Als Vertreter der Gesellschaft für deutsche Kolonisation er- 
warben Dr. Peters und andere in Ostafrika von dortigen 
Sultanen Eigentums= und Staatshoheitsrechte, für welche 1885 ein 
Kaiserlicher Schutzbrief erteilt wurde; 1890 gingen diese an das 
Reich über, während Deutschland und England in dem bekannten 
Sansibarvertrage (vgl. S. 12) sich über ihre beiderseitigen An- 
sprüche einigten (Abtretung von Helgoland an Deutschland, das 
auf Witu verzichtete) und der Sultan von Sansibar seine Souverä- 
nitätsrechte über das Küstengebiet und die Insel Mafia dem 
Deutschen Reiche abtrat. 1884—1886 kamen Kaiser-Wil- 
helmsland (der Nordosten von Neuguinea), der Bismarck- 
archipel, die nördlichen Salomonsinseln, die Marschall-, Brown- 
und Providenceinseln in deutschen Besitz, wobei nur zum Teil 
Verständigungen mit einzelnen Häuptlingen vorangegangen waren; 
auch der Neuguinea-Kompagnie wurden Kaiserliche Echutbriefe 
erteilt. Nach längerer Pause folgten 1898 der „Pachtvertrag“ 
zwischen Deutschland und China, welches beide Seiten des Ein- 
gangs der Bucht von Kiautschou, zugleich mit der Ausübung 
der Hoheitsrechte, vorläufig auf 99 Jahre an Deutschland über- 
ließ und ferner in einer 50 km-Zone im Umkreise von der Ki-= 
autschoubucht den freien Durchmarsch deutscher Truppen gestattete 
(S. 64), und 1899 die Abtretung der Karolinen-, Palau- 
und Marianeninseln durch Spanien sowie der Erwerb der 
Samoainseln Upolu und Savaii bei der Aufhebung der 
Samoaakte. Im Zusammenhange mit dem Marokkoabkommen 
zwischen Deutschland und Frankreich vom 4. November 1911 
steht das vom selben Tage datierte Abkommen beider Mächte 
„betreffend AOhuatorialafrika“, wodurch Kamerun eine be- 
deutende Gebietserweiterung und damit zugleich Zugang zu den 
großen! Wasserstraßen des Kongo und des Ubangi erlangt, ander- 
seits ein kleines Gebiet im Nordosten, den „Entenschnabel“, an 
Frankreich abgetreten hat (vgl. Kais L. vom 3. Oktober 1912, 
betr. die Vereinigung mit dem Schutzgebiete). 
Eine Übersicht des deutschen Kolonialbesites. der zurzeit 
in sieben Schutzgebiete zerfällt, findet sich auf S. 493. Ver-
	        
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