Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 65. Verfassung und Verwaltung in den Schutzgebieten. 4909 
b. Die Eingeborenen können durch Kais V. in Beziehung 
auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (S. 398) 
den Reichsangehörigen gleichgestellt werden (SchGG. 8 10). Man 
bezeichnet ihr Verhältnis zum Reiche wohl auch als Schutzge- 
bietsangehörigkeit, und nach einer V. vom 24. Ok- 
tober 1903 kann Personen, die sich in Ostafrika niedergelassen 
haben, auf Antrag die „deutschostafrikanische Landesangehörigkeit“ 
verliehen werden, wodurch sie die Rechte und Pflichten eines dem 
Schutzgebiete angehörigen Eingeborenen erlangen. Bal. noch das 
deutsch-französische Abkommen vom 2. Februar 1912, betr. die 
Staatsangehörigkeit der Personen in den ausgetauschten Gebieten in 
Aquatorialafrika (S. 490), bemerkenswert durch das den Einge- 
borenen aus den Tauschgebieten zugebilligte Optionsrecht (S. 12), 
durch dessen Ausübung sie wieder „in ihr früheres staats- 
rechtliches Verhältnis zurücktreten.“ 
d. Die Angehörigen fremder farbiger 
Stämme 
haben eine de facto-Schutzgebietsangehörigkeit. 
Vgl. Kais S. vom 9. November 1900, betr. die Rechts- 
verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, § 2. 
Darnach werden im Sinne von Sch G. 8§8 4 (Gerichtsbarkeit) 
und 7 III (Personenstand und Eheschließung) den Eingeborenen 
die Angehörigen farbiger Stämme gleichgestellt, soweit nicht der 
Gouverneur mit Genehmigung des Reichskanzlers Ausnahmen 
bestimmt. Japaner gelten jedoch nicht als Angehörige farbiger 
Stämme, sondern als Weiße. 
8. Die Rechtspflege in den Schutzge- 
bieten. 
a. Die Gerichtsverfassung 
ist für Weiße und für Farbige verschieden. « 
a. Betreffs der Weißen wird die Gerichtsbarkeit 
erster Instanz durch Kaiserl. Bezirksgerichte 
und Kaiserliche Bezirksrichter (in Kiautschou Kaiserl. 
Gericht von Kiautschou und Kaiserl. Richter), die Ge— 
richtsbarkeit zweiter Instanz durch die Kaiser— 
lichen Obergerichte (S. 493) und Kaiserl. Ober— 
richter ausgeübt. 
Vgl. KaisV. vom 9. November 1900, betr. die Rechts- 
verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, geändert durch die 
KaisS. vom 21. November 1902 und 28. September 1907; 
ferner die Justizministerialverf. vom 27. Mai 1911, 20. Sep- 
tember 1912, 25. Juli 1913; vgl. auch Z. I §8 82, 11 a 2. Die 
Errichtung einer dritten Instanz ist seit einigen Jahren 
geplant. Zurzeit liegt dem Reichstag ein neuer Entwurf (1913) 
vor; darnach ist der in Berlin zu errichtende Kolonialgerichtshof 
hauptsächlich als Revisionsinstanz in bürgerlichen Rechtsstreitig-
	        
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