Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

g 67. Von der Ausbildung des absoluten Staates usw. 511 
tum wurde infolge der inneren Zersetzung der für den erheblich 
kleineren Staat Friedrich Wilhelms I. berechneten Verwaltungs- 
organisation angesichts der neuen seit 1772 schnell einanderfol- 
genden Erwerbungen vor unerfüllbare Aufgaben gestellt. Dem 
Polizeistaate, der sich auf Beamtentum und Adbel (vgl. ALsR. II, 
9, 35) stützte, stand die übrige Bevölkerung vielfach fremd gegen- 
über; in manchen, namentlich den polnischen Erwerbungen, 
widerstrebte sie der neuen Ordnung der Dinge. Die ständische 
Gliederung in den alten Landesteilen war ungeachtet der Ein- 
führung der allgemeinen Schulpflicht (1717) und der ersten 
Ansätze der allgemeinen Wehrpflicht (Kantonsystem 1733) auf 
sozialem Gebiet unberührt geblieben; vgl. ALR. II, 7—9: ge- 
sonderte Behandlung des Bauer-, Bürger= und Adelstandes. 
Die für ihre Zeit mustergiltige und im wesentlichen 
bis zur Stein-Hardenbergischen Reform maßgebende Verwal- 
tungsorganisation Friedrich Wilhelms l. war in ihren Grund- 
zügen folgende: - 
a.AlsZentralbehördenerrichteteerZMinisteriem 
a. an Stelle der einander heftig befehdenden bisherigen 
Zentralbehörden, des Generalkriegskommissariats (S. 509) und 
des Generalfinanzdirektoriums, das Generaldirektorium 
(mit dem vollen Titel: „General-Ober-Finanz-Kriegs- und Do- 
mänen-Direktorium“) für die innere Verwaltung und das Fi— 
nanzwesen mit fünf Ministern, die teils für einzelne Provin— 
zen, teils für Materien zuständig waren (Instruktion vom 20. 
Dezember 1722 und Notifikationspatent vom 24. Januar 1723); 
b. das Kabinettsministerium für die auswärtigen 
Angelegenheiten mit einem Minister:; 
c. das Justizdepartement für Justiz und Kultus, 
seit Friedrich II. mit einem „ministre, chef de justice“ (später 
„Großkanzler“) und mehreren Ministern für die verschiedenen 
Provinzen und Materien (Samuel von Cocceji 1737 erster 
ministre, chef de justice, 1747 erster Großkanzler, vgl. S. 513 
und 8. 1 § 5 b 1). Unter dem Großkanzler stand die 1755 
errichtete „Immediat-Justizexaminationskommis- 
sion“, aus der die heute bestehende Justizprüfungs- 
kommission in Berlin hervorgegangen ist. 
Siäntliche Staatsminister traten zum „Geheimen 
Staatsrat“ oder „Geheimen Staatsministerium“ 
zusammen, dessen Zuständigkeit aber nicht bestimmt war. 
8. Provinzialbehörden waren die folgenden. 
a. Im Gebiete des Generaldirektoriums (also 
für die innere Verwaltung): die aus der Vereinigung der Amts- 
kammern (für das Finanzwesen) und der Kriegskommissariate 
(für das Heerwesen, oben S. 509) gebildeten Kriegs= und Do- 
mänenkammern. Das ganze Staatsgebiet zerfiel jetzt in 
Kammerdepartements (anfänglich Kurmark, Neumark, 
Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Kleve-Berg, Preußen mit 
Königsberg, Litauen mit Gumbinnen und das sog. Mindener 
Kammerdepartement), an deren Spitze jedesmal eine Kriegs- 
Heilfron, Staats- und Verwaltungsrecht. 34
	        
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