8 72. Die Freiheitsrechte. 539
licher Ermächtigung in die Sphäre des einzelnen ein-
greifen darf. Dieser Grundsatz der gesetzmäßigen
Verwaltung (S. 164) ist in den Art. 5. ff., 27 ff.
Pr1l. in wichtigen Anwendungsfällen durchgeführt hier-
in sehen Anschütz und andere die hauptsächliche Bedeu-
tung der angeführten Verfassungsvorschriften im Gegen-
satze zu Arndt, der ihnen namentlich die Abgrenzung
zwischen den Gegenständen der Gesetzgebung und denen
des von ihm verteidigten „selbständigen Verordnungs-
rechts“ (vgl. darüber S. 576) entnimmt. Die Auf-
zählung der „Freiheitsrechte“ im Titel II ist nicht er-
schöpfend, viele von ihnen sind zudem inzwischen reichs-
gesetzlich geregelt. Unter Ausscheidung der letzteren (vgl.
oben S. 422, 434, Z. 1 § 10 a 3 und H. II § 33 b 4) und
der im Kirchenrechte (Ki. § 4 b 18 b) behandelten Ar-
tikel über die Freiheit der Religionsübung sind an dieser
Stelle die folgenden zu betrachten.
b. Die persönliche Freiheit.
Sie ist in Art. 5 gewährleistet unter Verweisung
auf das Gesetz, das die Bedingungen und Formen be-
stimmt, unter welchen eine Beschränkung, insbesondere
eine Verhaftung, zulässig ist (d. h. seitens der Staats-
organe; um die privatrechtlichen Beziehungen, z. B.
BGB. 8 229 — Festnahme eines fluchtverdächtigen
Schuldners im Wege der Selbsthilfe handelt es sich
hier und in den folgenden Artikeln nicht). Von dem zur
Ausführung erlassenen Pr G. vom 12. Febr. 1850
zum Schutze der persönlichen Freiheit sind
die §§ 1—5, 11—13 durch St PO. 88 112 ff., 102 ff.
außer Kraft gesetzt.
Nach dem noch giltigen § 6 sind die Polizeibehörden und
andere Beamte, denen gesetzlich die Pflicht obliegt, Verbrechen
und Vergehen nachzuforschen, sowie die Wachtmannschaften be-
fugt, Personen in polizeiliche Berwahrung zu nehmen, wenn
der eigene Schutz dieser Personen oder die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe diese Maß-
regeln dringend erfordern. Auf diese Bestimmung gründet sich
. B. die „Schutzhaft“ Betrunkener und Geisteskranker. Die in
erwahrung genommenen Personen müssen jedoch spätestens
im Laufe des folgenden Tages in Freiheit gesetzt oder es muß
in dieser Zeit das Erforderliche zur Überweisung an die zu-
ständige Behörde veranlaßt werden. über die Befugnis des Mili-