8 72. Die Freiheitsrechte. 541
lich bereits weit von den Freiheitsbeschränkungen, an die
man in erster Linie zu denken pflegt (Verhaftung, Sistie-
rung u. dgl.). Allein die Gewährleistung der persön-
lichen Freiheit hat, wie schon die Fassung des Art. 5
zeigt, eine umfassendere Bedeutung sie schließt eigentlich
die übrigen Freiheitsrechte in sich, so das in Art. 8 aus-
gesprochene (Strafen nur in Gemäßheit des Gesetzes).
Die Verfassungsurkunde hat sie jedoch z. T. kasuistisch
aufgezählt.
1. Die Unverletzlichkeit der Wohnung
(Art. 6, 1).
Auch hiervon bestehen — vgl. Art. 6, 2 — zahlreiche
Ausnahmen, auf strafprozessualem Gebiete meist nach
Reichsrecht (St#pO. 88 102 ff., 94 ff., vgl. aber auch
E#St PO. § 6 II, 3 und PrG. vom 26. Juli 1897, betr.
das Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen
gegen die Zollgesetze usw., §8 13 ff.: Beschlagnahme und
Durchsuchung), im übrigen überwiegend nach Landesrecht;
vgl. aber auch z. B. VBG. 8 126, Margarine G. § 8,
GewO. 8 139 b.
Nach § 7 des PrG. vom 12. Februar 1850 (S. 539) darf in
die Wohnung (d. h. das befriedete Besitztum) wider den Willen
des Inhabers niemand eindringen, außer auf Grund einer aus.
amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines von einer
gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrags. Eine
solche Befugnis kann schon durch den 8 6 desselben Gesetzes
(S. 539) begründet sein, z. B. um einen Geisteskranken in Schutz-
haft zu nehmen, nicht minder durch ALR. II, 17, 10, etwa zur
Räumung eines einsturzdrohenden Hauses. Das Eindringen zur
Nachtzeit (im Sommer: 9 Uhr abends bis 4 Uhr morgens, im
Winter: 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens, also anders
als in den Reichsjustizgesetzen, StLO. § 104, ZPO. 88 188,
761, hier 9—4 bzw. 9—0) ist nach den §88 8—10 des Ges. vom
12. Februar 1850 nur statthaft: im Fall einer Feuers= oder
Wassersnot, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der-
Wohnung hervorgegangenen Ansuchens; diese Schranke gilt jedoch
nicht für Orte, in denen während der Nachtzeit das Publikum
unterschiedslos zugelassen wird, sowie für Militärvorgesetzte oder
Beauftragte bezüglich der von Militärpersonen benutzten Woh-
nungen behufs Vollziehung dienstlicher Befehle.
2. Die Unverletzlichkeit des Eigentums
(im weitesten Sinne) ist in Art. 9, 1 festgestellt, wohl-
verstanden auch wieder nur gegenüber der Verwaltung.
nicht gegenüber dem Gesetzgeber.