Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

554 § 74. Der König. 
deutschrechtlichen Grundsatzes: „Der Tote erbt den Leben- 
digen“ (vgl. S. 69). 
Beim Regierungsantritte leistet der König in Gegenwart 
der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbnis, die Ver- 
fassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in 
Übereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren (Art. 
54 II, S. 86). Doch hat diese Vorschrift nur instruktionelle 
Bedeutung, ist also nicht Bedingung für die Ausübung der Re- 
gierung; so hat Friedrich III. die Beobachtung der Verfassung. 
und der Gesetze nur durch eine dem Landtage mitgeteilte schrift- 
liche Botschaft vom 17. März 1888 gelobt. Ein allgemeiner 
Untertaneneid wird dem König in Preußen nicht geleistet. Die 
früher übliche Erbhuldigung, die Wilhelm I. in der Pro- 
klamation vom 3. Juli 1861 freilich auch für die Zukunft noch 
als Anrecht der Krone bezeichnete, ist tatsächlich abgeschafft; statt 
ihrer erneuerte Wilhelm I. die feierliche Krönung in Königs- 
berg i. Pr. Die Verpflichtung zur Ableistung eines besonderen 
Homagialeids (Huldigungseids) behufs Erwerbung von Ritter- 
und andern Gütern sowie behufs Ausübung von provinzial-, 
kommunal= und kreisständischen Rechten wurde durch Pr G. vom 
28. Mai 1874 aufgehoben. Dagegen haben nach Pr#. #Art. 
108 1 die Mitglieder der Kammern und alle Staatsbeamten dem 
Könige (beim Regierungswechsel von neuem) den Eid der Treue 
und des Gehorsams zu leisten und die gewissenhafte Beobach- 
tung der Verfassung zu beschwören (das Heer wird nur auf den 
König, nicht auf die Verfassung vereidigt, vgl. Pr VU. Art. 108 II 
und oben S. 290). Die Eidesleistung ist aber weder für die Mit- 
gliedschaft zum Landtage noch für die Beamteneigenschaft Voraus- 
setzung; doch schließt nach der GeschO. für das AbgHaus 8§ 6 
die Weigerung der Eidesleistung die Befugnis aus, einen Sitz 
im Hause einzunehmen, und ein Beamter, der die Eidesleistun 
verweigert, macht sich einer Verletzung der Dienstpflicht schuldig. 
Herkömmlich ist beim Regierungsantritt eine Proklamation 
des Königs an sein Volk, und zwar ohne ministerielle Gegen- 
zeichnung. 
2. Der Verlust der Krone 
tritt ein durch Tod und Verzicht (Abdankung, 
abdicatio). Die Pr Vl. enthält hierüber keine Bestim- 
mungen. Der Thronverzicht, der ex nunc wirfkt 
und als Regierungsakt ministerielle Gegenzeichnung er- 
fordert (streitig), hat den Eintritt des nächsten Sukzes- 
sionsberechtigten zur Folge; die nach der Entsagung ge- 
borene Nachkommenschaft kann nach verbreiteter Lehre 
erst nach der Linie des durch den Verzicht auf den 
Thron Berufenen sukzedieren, weil die Linealfolge eine 
Unterbrechung der Linie nicht gestattet. Auch ein Thron-
	        
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