Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 75. Der Landtag. 577 
überwiesenen und den durch Gesetz geregelten, mithin auch nur 
durch Gesetz zu ändernden Materien — unter Berufung auf 
ALR. Einl. § 7 abgrenzen (Rechtsnormen, durch welche die be- 
sonderen Rechte und Pflichten der Bürger bestimmt oder die ge- 
meinen Rechte abgeändert, ergänzt oder erklärt werden sollen); 
ihm wird entgegengehalten, daß ALR. Einl. § 7 keine Begriffs- 
bestimmung enthalte, sondern die Zuständigkeit der Gesetzgebungs- 
kommission betreffe. 
Auch nach der Arndt-Bornhakschen Lehre ist übrigens gegen- 
wärtig das gesetzesfreie Gebiet eng bemessen; in Betracht kommen 
hauptsächlich das Schul- und Universitätswesen („Doktorverord- 
nung“ von 1897, S. 558), die Qualifikationsvorschriften für 
Bau-, Bergbeamte, Feldmesser, die Erhebung von Verkehrs- 
abgaben (S. 685). Die praktische Bedeutung der Streitfrage ist 
zudem auf diesen Gebieten nur noch gering, da auch hier zahl- 
reiche Materien inzwischen gesetzlich geregelt sind und endlich 
Anschütz in manchen Fällen, in denen Arndt einseitig vom 
König oder den Behörden erlassene Rechtsnormen für vor- 
liegend erachtet, lediglich organisatorische oder Anstaltsordnungen 
annimmt, die als Verwaltungs vorschriften im Verwal- 
tungswege zu erlassen seien. 
8. Die Sanktionierung der Gesetze steht dem 
Könige zu (vgl. S. 152, 234), der auch ihre Verkündung 
befiehlt (S. 555). J 
Gemäß 8 11 der Einleitung zum ALR. erfolgte die Ver— 
kündung der Gesetze anfänglich durch Anschlag und in den 
Intelligenzblättern der Provinz (aus denen später die heutigen 
Regierungsamtsblätter geworden sind), noch früher durch Ver- 
lesen von der Kanzel und (seit 1717) durch Versendung an die 
Behörden. Durch Kgl. Verordnung vom 27. Oktober 1810 
wurde das Erscheinen einer „Gesetzsammlung für die 
Königlichen Preußischen Staaten“ (seit 1. Januar 1907 
„Preußische Gesetzsammlung“ genannt, vgl. oben S. 525) und 
durch Kgl L. vom 28. März 1811 von Amtsblättern für 
jedes Regierungsdepartement angeordnet. Zugleich wurde be- 
stimmt, daß in die Gesetzsammlung alle Gesetze und Verordnun- 
gen aufzunehmen sind, welche mehr als ein Regierungs- 
departement betreffen, ohne daß aber das Gesetz seine 
verbindliche Kraft durch Aufnahme in die GS. erlangte. Viel- 
mehr sollte es mit dem 8. Tage nach der Anzeige im Amts- 
blatt als „gehörig bekannt gemacht angenommen werden“ 
(Kglv. vom 28. März 1811 § 4 II, AKO. vom 24. Juli 
1826). Erst durch Gesetz vom 3. April 1846 wurde der bisherige 
Zustand erheblich geändert. Es wurde bei allen Gesetzen 
ihre Aufnahme in die Gesetzsammlung zu dem ihre Rechtswirk- 
samkeit herbeiführenden Umstande gemacht und das Inkraftireten 
der Gesetze je nach der Entfernung der Regierungsbezirke von 
Berlin (Potsdam 8 Tage, Ostpreußen und Rheinprovinz 14 Tage) 
festgestellt. Heute hat das PrG. vom 16. Februar 1874 auch in 
Preußen ebenso wie im Reiche (oben S. 235) den Beginn des 
38“
	        
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