Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

38 8 6. Das Wesen des Staates. 
nuierlichkeit des Staates („Le roi est mort, vive le roi“, „rex 
non moritur“) widersprechenden Folgerung zu entgehen, ist diese 
Theorie genötigt, zu der Fiktion zu greifen, daß Subjekt der 
Staatsgewalt die Herrscherinstitution als solche ohne Rückficht 
auf die Person des jeweiligen Herrschers sei. 
2. Subjektive (idealistische) Staatsthe- 
orien. 
a. Die organische Staatstheorie. 
Der Vergleich des Staates mit dem menschlichen Organis- 
mus findet sich schon bei Plato (der Staat ist ein Mensch im 
großen) und Aristoteles (der Staat war vor den ihn bilden- 
den Individuen da), und liegt auch der Erzählung des Menenius 
Agrippa von dem Kampf der Glieder gegen den Magen zugrunde, 
durch die er die streikenden Plebejer nach der secessio plebis auf 
den mons sacer, 494 v. Chr., zur Rückkehr bewogen haben soll. 
Sie erhielt sich durch das ganze Mittelalter. In der Neuzeit 
wurde die „organologische Lehre“ von den Naturrechtlern auf 
das schärfste bekämpft, von Fichte und Schelling aber wieder 
ausgenommen. 
Nach dieser Theorie ist der Staat ein von seinen 
realen Elementen (Land und Volk) unabhängiges, ihnen 
selbständig gegenüberstehendes lebendiges Gebilde (ein Or- 
ganismus), das kraft eigener, ihm innewohnender Kräfte 
entsteht und sich weiterentwickelt. 
Die älter.ee — eher unter die oben 1 behandelten 
Staatstheorien gehörende — objektiv realistische 
Form (Schleiermacher, Bluntschli) behandelte den Staat 
als einen wirklich vorhandenen, dem Menschen und dem 
Tiere gleichen, biologischen Organismus höherer Art, als 
ein übermenschliches Lebewesen, das gleich dem mensch- 
lichen und dem tierischen Organismus von den Natur- 
gesetzen in seinem Entstehen, seiner Fortentwicklung und 
seinem Vergehen beherrscht werde. Die neuere, sub- 
jektiv-idealistische Form (unter den Philosophen 
Wundt und Lasson, unter den Juristen vor allem Gierke) 
verwirft diese grobsinnliche Gleichstellung des Staats- 
organismus mit den eigentlichen Lebewesen. Sie faßt den 
Staat nicht als eine physische, sondern als eine psychische 
Realität auf, aber immerhin als eine Realität, etwas 
wirklich Vorhandenes, nicht bloß Gedachtes oder Vor- 
gestelltes, als eine reale Verbandspersönlich- 
keit, die in Entstehung, Struktur, Beschaffenheit, Fort- 
entwickelung den Lebewesen gleicht.
	        
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