Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 75. Der Landtag. 579 
nicht nur dann, wenn sie die Verfassung selbst ändert, sondern 
auch in den Fällen, wo die Verfassung den Weg der ordent- 
lichen Gesetzgebung oder die (vorherige) Zustimmung der 
Kammern ausdrücklich vorsieht (z. B. Art. 941, 65—68), dagegen 
nicht schon da, wo die Verfassung ein Gesetz schlechthin erfordert 
(streitig); denn die Notverordnung hat Gesetzeskraft. Ob im 
Falle der Versagung der Genehmigung die Notstandsverordnung 
von selbst ihre Kraft verliert (v. Rönne, G. Meyer), ist streitig; 
nach der herrschenden Meinung (Schwartz, Dernburg, Arndt) 
ist die Regierung verfassungsmäßig verpflichtet, die Notstands- 
verordnung sofort außer Kraft zu setzen, sie bleibt aber bis da- 
hin in Kraft und muß vom Richter angewendet werden (Art. 106, 
unten 6; anders Els.-Lothr. Verf. 8 23 II, S. 484). 
4. Der Landtag hat das Recht der Information, 
d. h. die Befugnis, Kommissionen zur Untersuchung von 
Tatsachen zu ernennen (Art. 82). Ob das Recht sich 
nur bezieht auf Gegenstände, welche den Kammern zur 
Beschlußfassung vorliegen, oder ob Art. 82 den Kammern 
ein uneingeschränktes Untersuchungsrecht z. B. auch gegen- 
über Maßregeln der Regierung gibt, ferner ob die Kam- 
mern zur selbständigen Ermittelung befugt oder auf die 
Vermittlung des Staatsministeriums angewiesen sind, ist 
bestritten. Allgemein zugestanden und nach Maßgabe 
der Geschäftsordnungen praktisch geübt aber wird das 
Recht, Interpellationen an die Regierung zu 
richten; Auskunft über eingehende Beschwerden kann jede 
Kammer schon nach Art. 81 III verlangen. 
Interpellationen müssen bestimmt formuliert und 
im Herrenhause von 21, im Abgeordnetenhause von 30 Mit- 
gliedern unterzeichnet dem Präsidenten überreicht werden. Dieser 
teilt sie dem Staatsministerium mit und fordert dasselbe in der 
nächsten Sitzung zur Erklärung darüber auf, ob und wann es 
die Interpellation beantworten werde. An die Beantwortung 
der Interpellation oder der Ablehnung darf sich eine sofortige 
Besprechung des Gegenstandes (aber keine Antragstellung oder 
Abstimmung, anders jetzt im Reichstag, S. 254) anschließen, 
falls im Herrenhause 30, im Abgeordnetenhause 50 Mitglieder 
darauf antragen (Herrenh GeschO. § 51, Abg#esch O. 88 33 ff.). 
5. Der Landtag hat das Recht der Initiative, 
PrVu. Art. 64: „Dem Könige sowie jeder Kammer steht 
das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen“, ebenso „Amen- 
dements“, d. h. Abänderungen zu eingebrachten Gesetzen 
zu beantragen. Auch hat jede Kammer für sich das Recht, 
Adressen an den König zu richten (Art. 81 I).
	        
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