Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

580 8 75. Der Landtag. 
Gesetzentwürfe werden in Preußen vom Ministerpräsi- 
denten oder Ressortminister bei dem Präsidenten des Abgeord- 
neten= oder Herrenhauses mit einem Anschreiben etwa folgen- 
den Inhalts eingebracht (vgl. über die Einbringung im Reichs- 
tag S. 233): 
„Eurer usw. beehre ich mich auf Grund der beifolgenden 
Allerhöchsten Ermächtigung vom den Entwurf ufw. nebst 
Begründung mit dem Ersuchen ergebenst zu übersenden, ihn 
der Beschlußfassung des Hauses der Abgeordneten (bzw. des 
Herrenhauses) gefälligst unterbreiten zu wollen.“ 
Die Ermächtigung selbst lautet regelmäßig: 
„Wir ufw. erteilen Unserem Minister usw. hierdurch die 
Ermächtigung, den anliegenden Entwurf usw. den beiden Häu- 
sern des Landtags der Monarchie zur verfassungsmäßigen Be- 
schlußfassung vorzulegen.“ 
6. Dem Landtage (nicht den Behörden) steht das 
Recht zur Prüfung der Rechtsgültigkeit gehörig ver- 
kündeter Gesetze und Königlicher Verordnungen zu (Art. 
106. 1). 
Hiernach darf z. B. ein preußischer Richter eine vom 
König in der vorgeschriebenen Form erlassene Verordnung nicht 
daraufhin prüfen, ob nicht für das geregelte Rechtsgebiet ein 
Gesetz erforderlich gewesen wäre, oder ob bei einer Notstands- 
verordnung auch deren Voraussetzungen (oben 3) gegeben waren 
(vgl. S. 1560). 
Art. 106 II spricht übrigens im Gegensatze zu Abs. 1 nur 
von Verordnungen; doch was von diesen gilt, muß erst recht 
von Gesetzen gelten. 
Den Polizei-Verordnungen sowie den Reichs- 
verordnungen des Bundesrats oder des Kaisers gegenüber 
besteht diese Prüfungsbeschränkung des Richters 
nicht (vgl. S. 156, L. 1 § 538), ebensowenig gegenüber einer 
nicht unter Art. 106 H fallenden Allerhöchsten Kabinettsorder, 
etwa einer nur im Amtsblatt verkündeten Kabinettsorder bzgl. 
der Genehmigung einer Eingemeindung (Rhein StO. § 2 ITV, 
O#G. 62 300). 
e. Der Geschäftsgang. 
1. Die beiden Häuser des Landtags müssen gleich- 
zeitig (Art. 77), und zwar auf Grund eines den Art. 76 
abändernden Gesetzes vom 18. Mai 1857 alljährlich, 
regelmäßig zwischen Anfang November und Mitte Ja- 
nuar, einberufen werden. Jede Kammer berät für sich; 
nur zwecks Eröffnung und Schließung des Landtags 
(Art. 77), zur Beschlußfassung über die Notwendigkeit 
einer Regentschaft (Art. 56, S. 563) sowie beim Mangel 
volljähriger Agnaten zwecks Wahl eines Regenten (Art.
	        
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