Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 76. Die Verwaltung. Einleitung. 589 
auf der Gerichtsschreiberei bzw. dem Zollamte niedergelegt waren) 
und allgemein ausgesprochen, daß auch öffentlichrechtliche Ver- 
hältnisse Rechte und Verbindlichkeiten erzeugen, die unter ana- 
loger Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu 
beurteilen sind (RZ. 65 117). Dies soll aber nur dann 
gelten, wenn es sich um die Verletzung einer öffentlichrecht- 
lichen Pflicht auf einem Gebiete handelt, auf dem nicht aus- 
schließlich die Ausübung eines Hoheitsrechts in Frage steht 
(vgl. die Übersicht über die Rechtsprechung in REZ. 78 327 ff.). 
Wenn das Reichsgericht trotzdem die Anwendbarkeit des 278. 
BGB. im Falle einer durch Fahrlässigkeit des Pflegepersonals. 
herbeigeführten Verletzung eines Kranken in einem städtischen 
Krankenhaus danach entscheiden will, ob der Kranke als zah- 
lungsfähige Privatperson oder auf Grund einer öffentlichrecht- 
lichen Fürsorgepflicht ausgenommen ist (RGZ. 64 235), so be- 
weist dies allerdings, daß die Grenzen und Beziehungen zwi- 
Tschen Privat= und öffentlichem Rechte zurzeit noch nicht ein- 
wandfrei festgestellt sind. Vgl. noch RSg. 83 71. 
J. Der Unterschied der öffentlichen Anstalt 
vom privatwirtschaftlichen Unternehmen tritt schließlich noch in 
ihrer allgemeinen Zugänglichkeit hervor (vgl. Zust G. 
8 18: Auf Beschwerden betr. das Recht zur Mitbenutzung der 
öffentlichen Gemeindeanstalten beschließt der Gemeindevorstand, 
gegen dessen Beschluß die Klage im Verwaltungsstreitverfahren 
stattfindet). 
d. Die Anwendung allgemeiner Grundsätze 
des bürgerlichen Rechts 
auf öffentlichrechtliche Verhältnisse ist im vorstehenden ver- 
schiedentlich (vgl. S. 586) berührt worden. Privat= und öf- 
fentliches Recht sind bei einzelnen Rechtsverhältnissen nebeneinan- 
der beteiligt, das BGB. selbst enthält zahlreiche Vorschriften 
öffentlichrechtlicher Natur (z. B. §8 61 ff., 196 11, 17, 197, 220), 
und manche Erscheinungen bilden keine Eigentümlichkeit des 
bürgerlichen Rechts, wie der Vertrag, die Verjährung ufw. 
Eine entsprechende Anwendung der auf dem Boden des Pri- 
vatrechts vorzugsweise entwickelten allgemeinen Rechtsgedanken 
kann deshalb im Gebiete des Verwaltungsrechts oft in Frage 
kommen, da die Verwaltungsgesetzgebung eines „Allgemeinen 
Teils“ nach Art des BGB. Buch I und Buch II Abschnitt 1 
ermangelt. Dabei muß selbstverständlich den besonderen Verhält- 
nissen Rechnung getragen werden. Vgl. S. 174 über die Mög- 
lichkeit öffentlichrechtlicher Verträge zwischen öffentlicher Gewalt 
und Untertan. 
1. Die Vorschriften des BGB. 88§ 106 ff. über die be- 
schränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger dürfen 
auf minderjährige Beamte als solche nicht angewendet werden 
(ALR. II, 18, 810). Dagegen kann der Wille der einen Be- 
amten anstellenden Behörde in rechtlich erheblicher Weise durch 
Irrtum oder arglistige Täuschung beeinflußt worden
	        
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