40 8 6. Das Wesen des Staates.
Abhängigkeitsverhältnisse sich befänden, wie die Zellen des tieri—
schen Organismus. Dieser unterliege in seinem Entstehen und
Bestehen organischen Gesetzen, während sich die Entwickelung der
Staatskörper vielfach durch menschliches Eingreifen vollziehe.
Den sozialen Organisationen fehle auch die allem Organischen
eigene Fähigkeit zur Fortpflanzung, zur Erhaltung der Art.
c. Das Verdienst der Organtheorie liegt, wie auch
ihre Gegner anerkennen, in der Fortentwickelung des Staats-
begriffes in einer doppelten Richtung. Einmal ist dadurch die
naturrechtlich-mechanistische Anschauung (S. 48 f.) überwunden wer-
den, die den Staat lediglich als eine künstliche Schöpfung der
Menschen, als einen Mechanismus, eine Maschine oder Anstalt
kenn zeichnet, während die Organtheorie den Staat als ein von
ihm immanenten natürlichen Kräften beherrschtes Gebilde auf-
faßt; und ferner ist durch die Behandlung der Staatsange-
hörigen als der den Staatsorganismus bildenden Zellen der
Gedanke lebendig geworden, daß alle diese Glieder an der Ge-
staltung des Staatslebens tätig und für die Bildung des Staats-
willens maßgebend sein müssen.
8. Die teleologische Staatstheorie (The-
orie der Verbandseinheit).
Die neueste, besonders von Jellinek entwickelte,
Theorie bezeichnet den Staat als eine durch Be-
ziehung auf gemeinsame Zwecke zu einer
Einheit verbundene Willensorganisation.
Sie beruht auf folgenden Leitsätzen.
a. Zergliedert man ein Staatswesen, so löst es sich
in eine Vielheit von Willensbeziehungen auf.
Die im Staate verbundenen Menschen stehen zu den die
Staatsgewalt ausübenden Menschen in einem Unter= und
Ueberordnungsverhältnis: der Staat ist Herrschafts-
organisation. Sein Wesen ist daher nicht substan-
tiell, besteht vielmehr nur in der Funktion der Herr-
schaftsausübung. Seine substantiellen Unterlagen sind al-
lein die Staatsgenossen und das Staatsland. Er ist
zwar etwas tatsächlich Vorhandenes, nicht bloß Gedach-
tes, keine bloße Abstraktion, aber er ist nur vorhanden
7— Bewußtsein der Menschen; er ist eine innere Tat—
sache.
b. Diese den Staat bildende Willensvielheit wird
durch gemeinsame Zwecke (teleologisch) zu einer
Einheit zusammengefaßt: Der Staat ist ein
Gemeinwesen. Alle im Staate verbundenen Indi-