§ 7. Die Rechtfertigung des Staates. 45
wird (droooog Gpose 5#dn Zudlde#z#, Aristoteles); die
Staatsordnung kann ihn sich daher in jeder Beziehung
unterwerfen.
Man pflegt den Individualismus als den der ger-
manischen, den Sozialismus als den der antiken
griechischen und römischen Staatsidee entsprechenden Grundsatz
" bezeichnen. Doch ist die Berechtigung dieser Anschauung
estritten.
b. Die einzelnen Theorien.
Die verschiedenen Theorien über den Staatsgrund
werden durch gewisse Schlagworte gekennzeichnet, die die
leitenden Gedanken in einem prägnanten Ausdrucke zu-
sammenfassen. Man kann diese Theorien nach den Wegen,
die sie zur Erklärung des Staatsphänomens einschlagen,
als historische, theologische, physische, juri—
stische und philosophische bezeichnen; vielfach fin-
den sich Verbindungen zwischen den verschiedenen Theorien.
1. Die historische Theorie
(Bornhak) findet die Rechtfertigung des Staates in
ihrem Bestehen seit Menschengedenken. Aus der Familie,
dem ursprünglichsten Verbande, sei im Laufe der Genera-
tionen das Geschlecht erwachsen, aus diesem der Ge-
schlechterstaat. Dieser habe sich nach Lockerung des Ge-
schlechtsverbandes und Hinzutritt neuer Elemente in den
ständischen und dann in den staatsbürgerlichen Staat
umgewandelt. Der Staat trage seine Rechtfertigung in
sich; es sei schon entwürdigend, ihn nach seiner Legi-
timation zu fragen (Nietzsche).
Dies ist eine Feststellung des tatsächlichen Bestehens (S.
59), aber keine Erklärung der Notwendigkeit und der inneren
Berechtigung des Bestehens des Staates.
2. Die theologische (theokratische) Theorie
führt das Bestehen des Staates auf göttliche Einsetzung
und die Unterwerfung der Individuen unter die Staats-
gewalt auf göttliches Gebot zurück.
Diese Idee findet sich schon in den Digesten (D. 1, 3, 2)
mit den Worten des Demosthenes, daß das Gesetz Erfindung und
Geschenk Gottes sei; ferner in des Kirchenvaters Augustinus (354
bis 430) Werk „De civitate dei“. Sie ist in neuerer Zeit von
katholischer (de Maistre, 1754—1821; v. Görres, 1776—1848)
und evangelisch-orthodoxer Seite (Friedrich Julius Stahl,
1802—1861, der Begründer der modernen chrristlich-konservativen