46 § 7. Die Rechtfertigung des Staates.
Weltanschauung) neu verteidigt worden; in allen Fällen mit
politischen Tendenzen. Aus der Einsetzung des Staates durch
Gott ist nicht nur die Herrschaft der Kirche (der civitas dei) über
den Staat (der civitas terrena) hergeleitet, sondern auch eine
bestimmte Verfassungsform als dem göttlichen Gebot (ius divinum)
entsprechend behauptet worden, und zwar sowohl die Fürsten-
(Bossuet) wie die Volkssouveränität (protestantische Monarcho-
machen, Puritaner).
Auf dieser Lehre beruht auch — hergeleitet aus Ev. Lukas
22, 38 — die Zweischwertertheorie, wonach Gott zwei
Schwerter zum Schutze der Christenheit eingesetzt habe, das geist-
liche und das weltliche. Nach klerikaler Auffassung, wie sie noch
im Schwabenspiegel (1275) vertreten war, sind beide dem Papste
gegeben, der das weltliche dem Kaiser verliehen habe; daher sei
das geistliche von der Kirche, das weltliche für sie zu führen
(Bonifaz VIII.). Nach der Darstellung des Sachsenspiegels (um
1230) dagegen ist das weltliche Schwert von Gott dem Kaiser
unmittelbar verliehen, daher dem geistlichen gleich-, nicht unter-
geordnet.
Die metaphysische Begründung ist für die Erforschung wissen-
schaftlicher Probleme unbrauchbar. Es handelt sich bei dieser
Theorie um Glaubenssätze, nicht um eine wissenschaftliche Er-
örterung. #
3. Die physische (Macht-) Theorie
rechtfertigt den Staat aus dem die Natur beherrschenden
ewigen (kosmischen) Naturgesetz, nach dem das Schwächere
dem Stärkeren notwendig untergeordnet ist. Der Staat
ist das naturnotwendige Ergebnis sozialer Machtverhält-
nisse; der einzelne hat sich dieser Tatsache zu unterwerfen,
wie anderen Naturereignissen.
Die Machttheorie, als das Naturgesetz der Herrschaft des
Stärkeren über den Schwächeren, ist schon von Plutarch (als
osorarosg nohton) und den Sopbisten aufgestellt und ist
in neuerer Zeit von Baruch Spinoza (1632—1677,
Tractatus theologico-politicus) und Karl Ludwig von Haller
(1768—1854, Restauration der Staatswissenschaften) neu begründet
worden. Von den Gegnern wird die Grundlage der Machttheorie,
das Bestehen unwandelbarer Naturgesetze für das soziale Leben,
aus denen der Staat mit Naturnotwendigkeit erwachsen sei, be-
stritten. Die das soziale Leben beherrschenden Kräfte seien der
Entwicklung unterworfen, und diese Entwicklung werde erfahrungs-
gemäß in weitgehendem Maße durch menschliche Einwirkung be-
einflußt. Die Staatsgewalt beruhe — wie das Verhältnis der
geringen Zahl der Herrschenden zur Ueberzahl der Beherrschten
ergebe — nicht auf physischer, sondern psychischer Macht. Wenn
der Staat allein auf die Macht gestützt werde, zwischen Herrscher
und Beherrschten nicht auch ein sittliches Band bestehe, so würde
dadurch bei den sich als unterdrückt und ausgebeutet fühlenden