64 § 9. Entstehung und Untergang der Staaten.
Staates regelmäßig — von Rechtsbeziehungen abgesehen, die sich
gerade auf dem in Frage stehenden Gebiete lokalisieren, wie
Durchzugsrechte — nicht berührt. Die erworbenen Gebiete treten
in die Rechtslage des Erwerbsstaates ein; die von dem Staate,
dem sie bisher angehörten, geschlossenen Verträge werden für sie
bedeutungslos.
b. im Wege einer zeitlichen Ueberlassung.
Es handelt sich hierbei um eine — in der Regel zur
Schonung des Selbstbewußtseins des abtretenden Staa-
tes erfolgende — verschleierte Gebietsabtretung unter bloß
nomineller Aufrechterhaltung der bisherigen Staatsge-
walt. Sie erfolgt:
1) entweder in der Form einer Uebertragung
zur Besetzung und Verwaltung;
Dies geschah z. B. im Art. 25 der Berliner Kongreßakte
vom 13. Juli 1878 und dem österreichisch-türkischen Vertrage vom
21. April 1879 betreffs Bosnien und der Herzegovina,
die erst durch Dekret vom 5. Oktober 1908 in Osterreich-Ungarn
einverleibt worden sind, sowie im englisch-türkischen Bündnisver-
trag vom 4. Juni 1878 betreffs der Insel Cypern und
in dem Vertrage der Vereinigten Staaten mit Panama vom
18. Nobember 1903 betreffs des Panamakanals (S. 27).
2) oder in der Form der pachtweisen Ueber-
lassung.
So hat China durch den Pekinger Bertrag vom 6. März
1898 an das Deutsche Reich „pachtweise vorläufig auf 99 Jahre
beide Seiten des Eingangs der Bucht von Kiautschon“ über-
lassen. Die Ausübung der Hoheitsrechte in diesem Gebiete steht
allein dem Deutschen Reiche zu. In einer weiteren „50-Kilo-
meterzone“ sind dem Deutschen Reiche nur gewisse Hoheitsrechte
eingeräumt (vgl. S. 490).