Johann Müller, genannt Regiomontanus. 101
zeitig den philosophischen Wissenschaften, wendete sich aber bald
ausschließlich der Mathematik und Astronomie zu und ging
später auf die Universität Wien, um dort die Vorlesungen des
berühmten Astronomen Peurbach zu hören. Bald erschlossen
sich die Herzen Peurbachs und Müllers, und sie verbün-
deten sich, zur Ehre des deutschen Vaterlandes und zur För-
derung der edlen Wissenschaft Alles aufzubieten. Müller
Fönnte sich kaum die nöthige Zeit zum Schlafe, um seine For-
schungen in der Sternkunde fortzusetzen, und Lehrer und Schüler
dachten und sprachen viel über die Verbesserung der Werkzeuge
zur richtigen Beobachtung der Himmelskörper, so wie zur Mes-
sung ihrer Entfernungen von der Erde und unter sich. Bald
sah sich Peurbach von seinem Schüler Müller übertroffen;
er wollte mit diesem nach Italien reisen, um dort Griechisch
und den Aegypter Ptolemäus, den letzten Astronomen des
Alterthums, verstehen zu lernen. Peurbach erkrankte jedoch
tödtlich und starb 1461 in den Armen Müllers.
Müller unternahm nun im nämlichen Jahre die Reise
nach Italien allein, lernte zu Rom in kurzer Zeit griechisch,
kam mit den gelehrtesten und edelsten Männern in Verbindung,
die sein Streben auf jede Weise förderten, und setzte seine astro-
nomischen Beobachtungen gewissenhaft fort. Er wurde ganz in
die Sprache und den Geist der Griechen eingeführt und las
ihre großen Geschichtschreiber, Redner und Dichter mit wahrer
Seelenlust. Darauf ging er nach Padua, wo er sehr ehren-
voll aufsgenommen wurde, und entwarf dort seine fünf Bücher
über Trigonometrie, die ebenen und sphärischen Dreiecke, und
stellte Alles so vollkommen dar, daß sie bis auf unsere Zeit
keine wesentliche Verbesserung erlitten; besonders zeichnet sich
das erstere Buch durch Einfachheit der Lehrsätze, sowic durch
Festigkeit, Klarheit und Schönheit der Beweise aus.
Nach einem kurzen Aufenthalte in Rom kehrte er nach
Wien zurück, wo er eine Zeitlang die ihm ertheilte Lehrerstelle
versah, hielt sich dann kurze Zeit in Ungarn auf, zog hierauf
nach Deutschland zurück, und ließ sich 1471 in Nürnberg
nieder, um da seine Werke durch die eben aufblühende Buch-