Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Von da brachen wir am nächsten Sonntage auf und zogen geradeswegs nach 
Laranda, wo wir am ersten Juni rasteten. Hier ward inmitten der tiefen, 
schweigenden Nacht die Erde von einer solchen Erschütterung heimgesucht, daß wir 
glaubten, es seien die Scharen der Türken über uns gekommen. Wir meinen 
aber, es sei dies ein Vorzeichen gewesen für das Schicksal, das den Herrn Kaiser 
treffen sollte. Da wir nun von da vorrückten, zogen wir nach dem Saleph, wo 
wir solche Wildheit und Schwierigkeit des Weges beim Überschreiten des Gebirges 
fanden, daß wir nur unter dem größten Verlust an Gepäck den Saleph an einem 
Sonntage erreichen konnten. 
An demselben Tage durchschritt der Herr Kaiser zur Abkürzung des Weges ein 
reißendes Wasser in den Tälern des Gebirgee 1), und er kam wohlbehalten 
an das andere Ufer. Als er hier gespeist hatte, gedachte er nach den unzähligen 
und unerträglichen Mühen, die er schon einen Monat lang erduldet hatte, in 
jenem Flusse zu baden und durch Schwimmen sich zu erfrischen. Hierbei ertrank 
er nach Gottes Ratschluß. Ein beweinenswertes, unerwartetes Unglück! Wir trugen 
seine irdischen Überreste mit uns hinweg unter gebührender Verehrung und ge- 
langten so nach der weitberühmten Stadt Tarsus. Von da zogen wir weiter gen 
Antiochia und erlitten großen Verlust an unserer Habe. Sechs Wochen lang hatten 
wir Mangel an Lebensmitteln, weil nichts Käufliches gefunden wurde. 
So viel über die Menge unserer Fährlichkeiten, wiewohl wir nur weniges 
an Euch zu schreiben unternommen haben. Für die Zukunft erwarten wir Trost 
von Gottes Barmherzigkeit. 
60. 
Kaiser und Papst. — Die Theorie von den zwei Schwertern. 
Um 1230. 
Quelle: Sachsenspiegel (mittel= und niederdeutsch)2). I, 1. 
Übertragung aus dem Abdruck der ältesten (mitteldeutschen) Leivziger Handschrift bei Julius Weiske, 
Der Sachsenspiegel. Leipzig 1895. S. 14. 
Zwei Schwerter ließ Gott auf Erden, um die Christenheit zu beschirmen. 
Dem Pahpst ist das geistliche gesetzt, dem Kaiser das weltliche. Dem Papst ist auch 
gesetzt, zu bestimmter Zeit auf einem weißen Rosse zu reiten, und der Kaiser soll 
ihm den Stegreif halten, auf daß der Sattel sich nicht wende. Das bedeutet: 
was dem Papste widersteht und er mit geistlichem Gerichte nicht bezwingen kann, 
das möge der Kaiser mit weltlichem Gerichte zwingen, dem Papste gehorsam zu 
sein. So soll auch seine geistliche Gewalt helfen dem weltlichen Gerichte, wenn es 
deren bedarf. 
1) An dieser Stelle weist der Text des Briefes eine Lücke auf. 
:) Der Sachsenspiegel ist die älteste und vorzüglichste Aufzeichnung des sächsischen 
Rechtes. „Spiegel der Sachsen sal diz büch sin genant, wen Sachsen recht ist hie am 
bekant, als in eyme spigele die vrowen sich beginnen schowen.“ Der Schöffe Eike von 
Repkow, ein Mann ritterlichen Standes aus der Gegend von Magdeburg, schrieb das 
Buch um 1230 in lateinischer Sprache nieder und übertrug es auf Anregung des Quedlin- 
burger Stiftsvogts Hoyer von Falkenstein in die Mundart seiner Gegend. Das Werk 
eines Privatmannes erlangte in einem großen Teile Deutschlands die Geltung eines 
Gesetzbuches.
	        
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