Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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kriegerischen Ubung wegen besuchen, dem römischen Kaiser oder dessen Stell- 
vertreter in zeitlichen Dingen ehrfurchtsvoll gehorchen, den Staat unverkürzt in 
seiner Macht lassen, niemals Lehngüter des Königreichs oder Kaiserreichs ent- 
fremden und unsträflich vor Gott und den Menschen in dieser Welt leben. Wenn 
du diese Vorschriften der Ritterregel demütig befolgst und nach bestem Wissen und 
Können fleißig erfüllst, dann, wisse, wirst du zeitliche Ehre auf Erden und nach 
diesem Leben ewige Ruhe im Himmel erwerben!“ Hierauf legte der Herr Kardinal 
die gefalteten Hände des Knappen in ein Meßbuch auf das verlesene Evangelium 
und sprach: „Willst du nun im Namen Gottes demutsvoll den Ritterorden 
empfangen und die Regel, welche dir wörtlich erklärt worden ist, nach deinem 
besten Können erfüllen?“ Es antwortete der Knappe: „Ich will es.“ Der Herr 
Kardinal überreichte alsdann dem Knappen folgendes Gelübde, welches dieser 
Knappe vor allen folgendermaßen verlas: „Ich Wilhelm, Fürst der holländischen 
Ritterschaft, des heiligen Reiches freier Lehnsmann, gelobe durch Eid in Gegen- 
wart des Herrn Petrus, des Legaten des apostolischen Stuhles, bei diesem hoch- 
heiligen Evangelium, welches ich mit der Hand berühre, die Gesetze des Ritter- 
ordens zu beobachten.“ Darauf erwiderte der Kardinal: „Dies demütige Gelöbnis 
verhelfe dir zur wahren Vergebung deiner Sünden. Amen.“ 
Darauf gab der König von Böhmen dem Knappen einen Schlag auf den 
Hals und sagte: „Zur Ehre des allmächtigen Gottes mache ich dich zum Ritter 
und nehme dich mit Freuden in unsere Genossenschaft auf. Gedenke, daß der Er- 
löser der Welt vor dem Oberpriester Annas um deinetwillen geohrfeigt und ver- 
spottet, vor König Herodes mit dem Königsmantel bekleidet und verhöhnt und vor 
allem Volke nackt und blutend am Kreuze aufgehängt worden ist. Seiner Schmach 
eingedenk zu sein, rate ich dir; sein Kreuz auf dich zu nehmen, heiße ich dich; 
seinen Tod zu rächen, mahne ich dich!“ Nach Beendigung dieser Feierlichkeiten 
und dem Gesange der Messe turnierte der junge Ritter unter dem Schmettern 
der Posaunen, unter Paukenschall und Glockengeläute zu dreien Malen gegen den 
Sohn des Böhmenkönigs und beendete hierauf durch einen Schwertkampf seine 
Knappenlehrzeit. Dann feierte er ein prächtiges Hoffest, welches drei Tage währte, 
und bewies durch reiche Gaben allen Großen des Reiches seine edle Gesinnung. 
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Alte und neue Rittersitte. 
Um 1250. 
Quelle: Wernher der Gärtner, Meier Helmbrecht (Mittelhochdeutsch)y. 
Übertragung: Max Oberbreyer, Meier Helmbrecht von Wernher dem Gärtner. Leipzig o J. S. 37—43. 
Als sie nun froh bei Tische saßen, Welch Sitten er bei Hof gefunden. 
Da konnt' der Vater es nicht lassen, „Jetzt sage mir, mein lieber Sohn, 
Beim Sohn voll Neugier zu erkunden, Du warst ja nun bei Hofe schon, 
1) Eins der bedeutendsten auf uns gekommenen Gedichte, zugleich die erste wahrhafte 
deutsche Dorfgeschichte ist die Erzählung von den Schicksalen des Meiersohnes Helmbrecht. 
Der Schauplatz dieser Geschichte ist der ehemalige Helmbrechtshof bei dem Kirchdorfe 
Gilgenberg im österreichischen Innviertel. Unweit des Hofes befindet sich das uralte 
Kloster Ranshofen. Hier hat wahrscheinlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts der 
Dichter als Pater Gärtner gelebt. — Der Meiersohn Helmbrecht ist trotz aller Warnungen 
des Vaters in die Welt gezogen und hat längere Zeit als Genosse von Raubrittern da 
draußen zugebracht. Nach einem Jahr besucht er seine Eltern; er wird freundlich auf- 
genommen, und man setzt sich vergnügt an den reich gedeckten Tisch. 
 
	        
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