Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

So bin ich sicher alsogleich 
Nicht einem Bauersmann mehr gleich — 
Und wenn ich auch vor kurzer Zeit 
Auf jener Tenne noch Getreid' 
Gedroschen und Dreschflegel trug 
Und Pfähle in die Erde schlug. 
Wenn ich die Füße und die Bein' 
Mit Hosen erst gezieret fein 
Und mit den Schuh'n von Korduan, 
So sieht's mir wahrlich keiner an, 
Daß ich da früher Zäun'’ und Mauern 
Gezogen dir und andern Bauern. 
Und hab' ich nur erst Hengst und Sporen, 
So bin für Ruprecht ich verloren. 
Zum Eidam nie soll er mich kriegen: 
Nie will ich bei'nem Weib verliegen.“. 
(Der Vater hat ihm für schweres Geld 
einen Hengst gekauft.) 
Der Vater: „Nun, so will ich dich 
Von meiner Zucht denn jetzt befrein: 
Du sollst dein eigner Herr wohl sein! 
Da du nun Zucht und Rat entbehrst, 
So, wenn du durch die Lande fährst, 
Habe wohl acht auf deine Hauben 
Und hüte deine seidnen Tauben, 
Daß sie nicht eine fremde Faust 
Berührt und arg dir gar zerzaust 
Dein langes, blond gelocktes Haar. 
Und willst du nun auf immerdar 
Dich meiner guten Zucht entheben, 
So seh' ich schon voraus mit Beben, 
Wie du dereinst folgst einem Stabe, 
Wohin dich führt ein kleiner Knabe. 
Mein Sohn, mein lieber teurer Knab', 
Noch laß von deinem Vorsatz ab! 
Leb' mit von dem, wovon wir leben, 
Und was die Mutter dir soll geben. 
Laß Wasser dein Genüge sein, 
Eh' du mit Raub dir kaufest Wein. 
Der Schmarrnt,), den hier in Osterreich 
Man isset, gilt bei allen gleich; 
Der Dumme wie der Weise 
Hält ihn für Herrenspeise. 
Den sollst du essen, liebes Kind, 
Statt daß du ein geraubtes Rind 
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Für eine Henne späterhin 
Etwa dem Wirte gibst dahin. 
Die Mutter kocht dir guten Brei; 
Den laß dir schmecken, bleib' dabei.“". 
„Trink du nur Wasser, Vater mein; 
Ich selber, ich will trinken Wein. 
Iß immerzu nur Haferbrei, 
Indes für mich stets Speise sei 
Ein Huhn gar fein gesotten. 
Das wird mir immerdar verboten! 
Ich will auch bis an meinen Tod 
Von weißen Semmeln essen Brot.“.. 
Der Alte zu dem Sohne sprach: 
„Statt Gutem läufst du Bösem nach . 
Bebau' das Feld; bleib’ bei dem Pflug; 
Dann nützest du der Welt genug: 
Von dir dann Nutzen haben kann 
Der arme wie der reiche Mann; 
Dem Wolfe nütz'st du und dem Aar 
Und aller Kreatur fürwahr, 
Die je auf dieser Erden 
Gott ließ lebendig werden. 
Drum treibe nur den Ackerbau: 
Denn sicher manche edle Frau 
Wird durch des Bauern Fleiß verschönet; 
Manch König wird gekrönet 
Durch des Ackerbaus Ertrag. 
Wie stolz wohl mancher sein auch mag, 
Sein Hochmut müßt' zu Schanden werden, 
Gäb's nicht den Bauersmann auf Erden.“ 
„Wär' ich nur deiner Predigt, 
O Vater, erst entledigt. 
Ein Prediger, wahrlich, auserkoren, 
Ging leider gar an dir verlorten 
Wie meine Sach' auch werden mag, 
Ich will nicht pflügen mehr, nicht graben; 
Nein! ich will weiße Hände haben. 
Doch Schwielen durch der Arbeit Schuld — 
So wahr mir helfe Gottes Huld! 
Auf ewig brächt's mir Schmach und Schand' 
Beim Tanz an holder Frauen Hand."“ 
Der Vater drauf bekümmert sprach: 
„Nun forsche, lieber Sohn, mir nach, 
1) Der Schmarrn war ein Gebäck, das aus zwei in Schmalz gebackenen Semmel- 
schnitten. bestand, zwischen die Kalbsgehirn oder Pflaumenmus gelegt war.
	        
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