— 145 —
Die Stadt der Noriker, Nürnberg, vom Flusse Regnitz durchschnitten,
dürfen wir nicht übergehen. Wie herrlich ist das Aussehen dieser Stadt, der
Glanz, die Lieblichkeit, die Ausschmückung, die Lebensweise, die Stadtverfassung;
was könnte einer dieser in jeder Beziehung vollkommenen Stadt noch wünschen!
Welch ein Anblick, wenn man aus Unterfranken kommt und sie von ferne be-
schaut; welche Majestät, welche Pracht, von außen betrachtet; welche Sauber—
keit der Straßen im Innern, welche Zierlichkeit der Häuser! Was gibt es
Großartigeres als die Kirche des heiligen Sebaldus, was Glanzvolleres als
die des heiligen Laurentius? Was Stolzeres oder Festeres als die königliche
Burg, was Herrlicheres als die Gräben und die Mauern? Wie viele Bürgerhäuser
kann man dort finden, die für Könige angemessen sind! Münschen möchten der
Schotten Könige, so trefflich zu wohnen, wie die mittleren Bürger von Nürnberg.
Die Schwaben haben jenseits der Donau viele Städte. Doch die Königin von
allen ist Ulm, eine mächtige und gar schmucke Stadt. Will man daher die Wahr-
heit sagen, so ist keine Nation in Europa, deren Städte besser eingerichtet sind
oder einen erfreulicheren Anblick bieten als in Deutschland.
Wo ist bei euch eine Herberge, in der nicht aus Silber getrunken wird; wo
ist eine Frau, ich sage nicht von Adel, sondern eine bürgeriiche, die nicht von
Gold glänzt! Sollen wir berichten von den Ketten der Ritter und den Zügeln
der Pferde, aus reinstem Golde; von so vielen Sporen und Schwertscheiden, mit
Edelsteinen bedeckt, und den Ringen, Wehrgehenken, Harnischen und Helmen, die
von Gold strahlen? Wie viele wertvolle Geräte in den Kirchen; wie viele Reliquien,
mit Perlen und Gold eingefaßt! Welche Gewänder der Altäre und Priester!
Was kann reicher sein als eure Kirchenschätze?
Wie groß ist ferner bei den Fürsten, wie bei den Bürgerschaften die Er-
fahrung in den Waffen, wie groß die Übung; wie groß die Zucht des Gemein-
wesens! Die in Deutschland geborenen Knaben lernen früher reiten als sprechen;
unbeweglich hangen sie in den Sätteln, während das Pferd dahinrennt. Sie
tragen die längeren Lanzen der Herren; abgehärtet gegen Kälte und Hitze,
werden sie von keiner Anstrengung überwältigt. Kein schwäbischer oder frän-
kischer Reiter begibt sich unbewaffnet auf die Reise. So leicht trägt er die
Waffen wie seine Glieder.
Die deutschen Krieger, nicht nur adlige, sondern auch Bürger aus der niederen
Klasse, haben Rüstkammern in ihren Häusern, und bei jedem unvermuteten Über-
fall oder Lärmruf kommen sie sofort bewaffnet hervor. Erstaunlich ist es und fast
unglaublich, wie groß ihre Geschicklichkeit ist, die Pferde zu lenken, zu wenden
und im Kreise zu führen, wie groß ihre Kunst im Pfeilschießen, die Ubung im
Lanzenwerfen, die Beweglichkeit der Schilde, die Kenntnis im Fechten mit den
Schwertern, die Erfahrung mit den Wurfmaschinen und dem Belagerungsgerät.
Wer die öffentlichen Zeughäuser der Deutschen gesehen hat, muß die sonstigen
Rüstkammern verlachen.
Ein anderer Grund ist, der euer Reich mindert und es vernichten wird, wenn
ihr nicht vorbeugt. Die Vielheit der Fürsten wird von den Weisen verworfen.
Wenn ihr jedoch die frühere Höhe wieder erreichen wollt, so leget die früheren
Tügenden, die früheren Sitten wieder an! Und was vor allem notwendig ist,
ziehet die Einheit der Spaltung vor! Wofern ihr dies tut, werdet ihr ohne
Zweifel den alten Namen wieder erlangen und vielen großen Völkern Gesetze
vorschreiben. ·
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. I. 10