Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Christo, der alle, die nicht viel Fürbitter und der päpstischen Werkheiligkeit hätten, 
verdammen und richten wollte. Da hat man an Christus Statt gemacht zu Für— 
bittern und Seligmachern die Jungfrau Maria, wie die Heiden ihre Dianam, 
darnach andere verstorbene Heilige; deren kanonisiert der Papst immer mehr und 
mehr. Aber dennoch lehret man, daß dieselben auch nicht eher für uns beten, 
man verdiene es denn um sie und ihre Orden, die sie gestiftet hätten. Da war 
nun die Lehre, durch welcherlei Werk man es denn verdient. Hier ward aber— 
mals der rechten guten Werke als der zehn Gebote und, was ein jeglicher in 
seinem Stand zu tun schuldig ist, geschwiegen; das wurden einfach weltliche 
Stände und geringe, schlechte Werke geachtet. Aber dagegen erfand man neue 
Werke, die viel Geld den Pfaffen und Mönchen eintrugen, und sagte, wer der- 
selben viele täte, oder löste oder kaufte sie denen ab, so sie täten, die büßten und 
machten ihre Sünde damit wieder gut und verdienten das ewige Leben. Wer es 
aber nicht zu Lebzeiten täte, der führe in die Hölle und in die ewige Verdammnis 
oder ins Fegefeuer, darin er so lange braten und brennen müßte, bis daß er ent- 
weder bezahlte oder andere Leute, die noch hier lebten, für ihn genug täten. Da 
gingen diese Werke in Schwang, da mußten alle und ein jedes mehr gelten denn 
das ganze Leiden und Unschuld Christi, als: Fasten, viel Gebetlein sprechen, viel 
Vaterunser, viel Ave-Maria beten, ganze Rosenkränze In Summa: man 
mußte Tag und Nacht singen, plärren, murmeln, und war kein Aufhören, wider 
den Spruch Christi: „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden.“ 
Darnach waren da die mancherlei Pfaffen, Mönche, Nonnenorden mit mancherlei 
Kleidern, Zeremonien und Manier, deren ein jeder lehrte: wer den Orden hielt, 
so und so lebte und fastete, der würde selig; wer aber nicht drein kommen wollte, 
sollte es doch mit Geld lösen. Da kamen mehr denn die Hälfte der Weltgüter an 
die Orden und Geistlichen, und der Papst bestätigte sie alle, nahm sie in seinen 
Schutz und Schirm. Da war auch das Fasten von Fleisch, Eier, Butter, Käse; 
wer es nicht halten konnte, tat Sünde und mußte es mit Geld ablösen. Item 
da kam das viele Feiern, Wallfahrtengehen gen Rom, zu St. Jakobt), gen 
Jerusalem, zu St. Katherin auf den Berg Sinai?), zu St. Michel 2), gen Aachen, 
gen Fulda, und war schier kein Berg, kein Pfuhl, kein Grund, kein Tal, kein 
Wald, endlich auch Eiche, Weide, Buche: man machte eine Wallfahrt dahin, und 
wenn man Geld gab, so bestätigte es der Papst, gab Gnade und Ablaß dazu. Da 
trug man Geld, Gut, Hühner, Gänse, Enten, Eier, Hauf, Flachs, Käse, Butter zu; 
man sang, man klang, man räucherte, darnach opferte man; und waren auch 
Weinschenken, Bierschenken da; da trank man denn, und das ward mit der Messe 
bestätigt; so hatte das Spiel sein Recht. Da waren noch neue Sakramente erdacht 
als Firmelung, Olung, Chrisam"). Item, die Bischöfe predigten nicht, weihten aber 
und segneten ein Nonnen, Pfaffen, Mönche, Glocken, Kirchen, Kapellen, Bilder, 
Fladen, Eier 5), Kirchhöfe. Dazu hatten sie große Einkommen, und trug alles viel 
Geld. Darnach ward viel Wesens gemacht mit den Heiltumb 5), Totenbeinlein; die 
faßte man ein in goldene, silberne und köstliche Monstranzen, gab sie unter der 
1) Nach St. Jago di Compostella in Spanien zum Grabe des heiligen Jakobus. 
:) Nach dem Berge Sinai sollen Engel den Leichnam der heiligen Katharina getragen 
haben. 
„) Nach St. Michaelsberg in der Normandie. 
"4) Chrisma, geweihtes Salböl aus Olivenöl und Balsam. 
•) Weihe von Ostereiern und kuchen. 
*) Reliquien.
	        
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