Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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angebrachte Weisheit meiner Mißgünstigen etwas darin verändert oder verkehrt 
ausgezogen habe. Denn ich bekenne mich zu nichts anderem denn zu meinem 
allein, oder aber von mir allein geschrieben ist ohne jede Sorgfältigkeit, Auslegung 
und Deutung aller anderen. 
Weil ich aber auf den anderen Artikel Antwort geben soll, so bitte ich Eure 
Kaiserliche Majestät und Gnaden untertänigst, ein fleißiges Aufachten zu haben, 
daß meine Bücher nicht alle von einer Art sind. Denn es sind etliche, in welchen 
ich die Güte des Glaubens und der Sitten so evangelisch und schlicht behandelt 
habe, daß sie auch meine Widersacher für nützlich und unschädlich bekennen müssen 
und allenthalben wert, daß sie von christlichen Leuten gelesen werden. Auch die 
Bulle, wenn sie auch sonst rücksichtslos und grimmig klingt, erklärt etliche meiner 
Bücher für unschädlich, wie wohl sie auch diese durch ein widernatürliches Urteil 
verdammt. Wenn ich nun diese widerrufen wollte, was täte ich anders, denn daß 
ich allein unter allen Menschen die Wahrheit verdammte, welche Freund und 
Feind in gleicher Weise bekennen, so daß ich allein dem gemeinsamen und ein- 
trächtigen Bekenntnis wider und entgegen wäre. 
Die andere Art meiner Bücher ist die, so wider das Papsttum und der 
Papisten Fürnehmen und Handlung geht als wider die, so mit ihren aller bösen 
Lehren und Exempeln die christliche Welt mit beiden Übeln des Geistes und 
Leibes verheert, verwüstet und verderbt haben. Denn dies mag niemand weder 
verneinen noch verhehlen, weil die Erfahrung und die Klage aller Menschen 
Zeugen sind, daß durch die Gesetze des Papstes und die Lehre der Menschen die 
Gewissen der Christgläubigen aufs allerjämmerlichste gefangen, beschwert und ge- 
peinigt sind; auch die Güter und Habe in dieser hochrühmlichen deutschen Nation 
zuvor verschlungen und erschöpft und noch jetzt ohne Ende verschlungen werden. 
Und doch betonen sie in ihren Dekreten, daß Papstgesetz und ehre, sofern sie 
dem Evangelium und den Ansichten der Kirchenväter widerspricht, für irrig und 
verfehlt zu gelten habe 1). Wenn ich also auch die Schriften widerrufen würde, so 
würde ich nichts anderes tun, denn diese Tyrannei stärken und des Papstes so 
großem unchristlichem Wesen nicht allein die Fenster sondern Türen auftun, die 
Tyrannei aber weiter und freier toben und schaden würde, denn sie sich bisher 
je hat dürfen unterstehen; und mit meinem Widerruf zum Zeugen würde das Reich 
ihrer zügellosen, unverschämten Bosheit dem armen Volke ganz unerträglich und 
doch fest aufgerichtet, zumal wenn es bekannt würde, daß ich es getan unter der 
Autorität Eurer geheiligten Majestät und des ganzen römischen Reiches: Mein 
lieber Gott, ein wie großer Schanddeckel der Bosheit und Tyrannei würde ich sein! 
Die dritte Art meiner Bücher ist die, welche ich wider etliche Privat= und 
einzelne Personen geschrieben habe, als nämlich wider die, so sich unterwunden 
haben, die Römische Tyrannei zu beschützen und den göttlichen Dienst, so ich ge- 
lehrt habe, zu vertilgen. Ich bekenne, daß ich wider dieselben heftiger gewesen 
bin, denn dem christlichen Wesen und meinem Stand geziemt. Denn ich mache 
mich nicht zu einem Heiligen. Ich disputiere auch nicht von meinem Leben, 
sondern von der Lehre Christi. Ich kann aber auch diese Bücher nicht wider- 
rufen und zwar deshalb nicht, weil aus meinem Widerspruch erfolgen würde, daß 
ihr tyrannisches, grimmiges und fürchterliches Regiment durch meinen Schutz, 
meine Unterstützung und mein Zurückhalten regieren und herrschen würde, und 
1) Luther führt hier zwei Stellen des kanonischen Rechts an.
	        
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