Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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von den Priestern sterben muß und vom Tod erstehen und danach gen Himmel 
fahren, daß es auch also gleichförmig ergeht deinem Nachfolger Martino Luthern, 
den der Papst mit seinem Gelde verräterisch wider Gott um sein Leben bringt, 
den wirst du erquicken; und wie du danach, mein Herr, verhängest, daß Jerusalem 
zerstöret ward, also wirst du auch diese eigene angenommene Gewalt des römicchen 
Stuhls zerstören. Ach, Herr, gib uns danach das neu gezierte Jerusalem, das 
vom Himmel herabsteigt, davon die Offenbarung St. Johannis schreibt, das 
heilige klare Evangelium, das nicht mit menschlicher Lehre verdunkelt sei. Darum 
sehe ein jeder, der da Martin Luthers Bücher liest, wie seine Lehre so klar durch- 
sichtig ist, so er das heilige Evangelium führt; darum sind sie in großen Ehren zu 
halten und nicht zu verbrennen, es wäre denn, daß man sein Widerpart, die allezeit 
der Wahrheit widerfochten, ins Feuer würf mit all ihren Meinungen, die da aus 
Menschen Götter machen wollen. Aber doch, daß man wieder neue lutherische 
Bücher hätte! O Gott, ist Luther tot, wer wird uns hinfort das heilige Evan- 
gelium so klar fürtragen? Ach Gott, was hätte er noch in zehn oder zwanzig 
Jahren schreiben mögen! O, ihr alle frommen Christenmenschen, helft mir fleißig 
beweinen diesen gottgeistigen Menschen und Gott bitten, daß er uns einen anderen 
erleuchteten Mann sende! 
101. 
Luther verläßt die Wartburg. 
1622. 
Quelle: Luthers Brief, geschrieben auf der Reise von der Wartburg 
nach Wittenberg an Kurfürst Friedrich den Weisen. Borna, 5. März 1522. 
Fundort: Hans Preuß, Deutsche Lutherbriefe. Leipzig 1912. S. 26—27. 
Gunst und Friede von Gott unserem Vater, und unserem Herrn Jesu Christo, 
und meinen untertänigsten Dienst! Durchlauchtigster, hochgeborener Kurfürst, 
gnädigster Herr! Eurer kurfürstlichen Gnaden Schrift und gnädiges Bedenkentd ist 
mir zugekommen auf Freitag abend, als ich auf morgen, Sonnabend, wollte 
ausreiten. Und daß es Eure kurf. Gnaden aufs beste meine, bedarf freilich bei 
mir weder Bekenntnis noch Zeugnis; denn ich mich des, soviel menschliche Er- 
kundung gibt, für gewiß achte. Wiederum aber, daß ich's auch gut meine, dünkt 
mich, ich wisse es aus höherer, denn aus menschlicher Erkundungg 
In meiner Sache, gnädigster Herr, antworte ich also: Eure kurf. Gnaden 
weiß, oder weiß sie es nicht, so laß ich es ihr hiermit kund sein, daß ich das 
Evangelium nicht von Menschen sondern allein vom Himmel durch unseren Herrn 
Jesum Christum habe, so, daß ich mich wohl hätte mögen einen Knecht und 
Evangelisten rühmen und schreiben. Daß ich mich aber zum Verhöre und Gericht:) 
erboten habe, ist geschehen, nicht daß ich daran zweifelte, sondern aus übriger 
Demut, die anderen zu locken. Nun ich aber sehe, daß meine zu viele Demut ge- 
langen will zur Erniedrigung des Evangelii, und daß der Teufel den Platz ganz 
einnehmen will, wo ich ihm nur eine Hand breit räume, muß ich aus Not 
meines Gewissens anders dazu tun. Ich habe E. k. G. genug getan, daß ich 
dies Jahr gewichen bins) E. k. G. zu Dienst. Denn der Teufel weiß gar wohl, 
1) Verbot, die Wartburg zu verlassen. 
„) Auf dem Wormser Reichstag. 
?) Schutz auf der Wartburg.
	        
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