Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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schriebenen Artikel, sowohl damit sie diese Schmach des Wortes Gottes aufheben, 
als auch den Ungehorsam, ja die Empörung aller Bauern christlich entschuldigen. 
Derhalben, christlicher Leser, lies die nachfolgenden Artikel mit Fleiß und danach 
urteile: 
Zum ersten ist unsere demütige Bitte und Begehr, auch unser aller Wille 
und Meinung, daß wir nun fürderhin Gewalt und Macht haben wollen, daß die 
ganze Gemeinde ihren Pfarrer selbst erwählen und kiesen soll; auch Gewalt haben, 
denselbigen wieder abzusetzen, wenn er sich ungebührlich hielte (1. Timoth. 3., 
Tit. 1). Derselbige erwählte Pfarrer soll uns das Evangelium lauter und klar 
predigen ohne allen menschlichen Zusatz, Lehre und Gebote, nichts als den wahren 
Glauben uns stets verkündigen. (Apost. 1.) 
Zum anderen, nachdem der rechte Kornzehnte aufgesetzt ist im Alten Testament 
und im Neuen vollkommen erfüllt, wollen wir nichts desto minder den rechten 
Kornzehnt gern geben, doch wie sich's gebührt. Soll man ihn nun — seiner Be- 
stimmung entsprechend — Gott und den Seinen zuteil werden lassen, so gebührt 
er einem Pfarrer, der klar das Wort Gottes verkündt Den kleinen 
Zehntent) wollen wir gar nicht geben. Denn Gott der Herr hat das Vieh frei 
dem Menschen erschaffen (1. Mos. 1). Das erachten wir für einen ungebührlichen 
Zehnten, den die Menschen erdichtet haben. Darum wollen wir ihn nicht weiter 
geben. 
Zum dritten ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für Eigenleute 
gehalten, welches zum Erbarmen ist, angesehen, daß uns Christus alle mit seinem 
kostbaren, vergossenen Blute erlöst und erkauft hat, den niederen Hirten ebensowohl 
als den allerhöchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich in der Schrift, 
daß wir frei sind, und wir wollen frei sein. Nicht daß wir gar frei sein, keine 
Obrigkeit haben wollen; das lehret uns Gott nicht. Wir sollen in Geboten leben, 
nicht in freiem fleischlichen Mutwillen, sondern Gott lieben als unseren Herrn, in 
unseren Nächsten ihn erkennen und alles das ihnen tun, was wir auch gern hätten, 
wie uns beim Nachtmahl in seinem letzten Beschluß Gott geboten hat. Wenn wir 
nun aber nach seinem Gebote leben sollen, zeigt und weist uns dies Gebot etwa 
an, daß wir der Obrigkeit nicht gehorsam sein sollen? Vielmehr sollen wir nicht 
allein der Obrigkeit gehorsam (Röm. 13), sondern wir sollen demütig gegen jeder- 
mann sein, auch gegen unsere erwählte und gesetzte Obrigkeit (so uns von Gott 
gesetzt ist) in allen gebührenden und christlichen Dingen freiwillig Gehorsam 
übbn 
Zum vierten ist bisher im Brauch gewesen, daß kein armer Mann Gewalt 
gehabt hat, das Wildbret, das Geflügel oder die Fische im fließenden Wasser zu 
fangen, was uns ganz unziemlich und unbrüderlich dünkt, eigennützig und dem 
Worte Gottes nicht gemäß. Auch hegt in etlichen Orten die Obrigkeit das Wild 
uns zu Trotz und zu mächtigem Schaden, weil wir leiden müssen, daß uns das 
Unsere, was Gott dem Menschen zu Nutz hat wachsen lassen, die unvernünftigen 
Tiere zu Unnutz mutwillig verfressen, und wir sollen dazu stillschweigen, was wider 
Gott und den Nächsten ift ... 
Zum fünften sind wir auch beschwert der Beholzung halben; denn unsere 
Herrschaften haben sich die Hölzer alle allein zugeeignet, und wenn der arme 
Mann etwas bedarf, muß er's ums doppelte Geld kaufen. Unsere Meinung ist, 
1) Bei dem „kleinen Zehnten“ ist an den Fleisch- und Blutzehnten gedacht.
	        
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