Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Vor dem Nachtmahl hat er angefangen zu klagen, es drücke ihn auf der 
Brust, aber nicht zum Herzen; hat begehrt, ihn mit warmen Tüchern zu reiben, 
danach gesagt, das Drücken lasse ein wenig ab. Über dem Nachtmahl hat er 
ziemlich gegessen und ist fröhlich gewesen, auch mit Scherzreden. Nach dem Nacht- 
mahl hat er wieder etwas geklagt, es drücke ihn auf der Brust, und hat warme 
Tücher begehrt. Haben die Herren und wir den Arzt wollen holen lassen, hat er’s 
verboten und etwa zwei oder dritthalb Stunden auf dem Ruhebettlein geschlafen. 
Haben wir, Herr Michael Cölius, ich Jonas, der Wirt, Stadtschreiber zu Eis- 
leben!), und die Wirtin, auch seine zween Söhne ungefährlich bis halb elf Uhr 
bei ihm gewacht. Da hat er begehrt, man sollte ihm das Bett in der Kammer 
wärmen, welches alles mit großem Fleiß geschehen, und haben ihn zu Bett ge- 
bracht. Ungefährlich um 11 Uhr ist er eingeschlafen, hat geruhet mit natürlichem 
Schnauben. Danach, gnädigster Herr, um 1 Uhr in der Nacht hat er den Diener 
Ambrosius und mich, Doktor Jonas, aufgerufen; erst dem Diener gesagt: „Mache 
das Stüblein warm!“ Als der Diener aber geeilet, und das Stüblein allbereit 
warm gewesen (als die ganze Nacht darauf bereitet), hat er zu mir gesagt: „O, 
Herr Gott! Doktor Jonas, wie ist mir so übel, mich drückt es so hart um die 
Brust. O, ich werde zu Eisleben bleiben.“ Indem ist Ambrosius und wir alle zu- 
gelaufen, haben ihm aus dem Bette geholfen. Als er ins Stüblein gekommen, ist 
er noch einmal umher gegangen, danach aber warme Tücher begehrt. Haben wir 
eilend beide Arzte in der Stadt lassen aufwecken, welche auch eilends gekommen; 
desgleichen meinen gnädigen Herrn, Graf Albrecht, lassen wecken, der bald mit der 
Gräfin gelaufen gekommen, Aquavite und des Doktors Arznei und alles versucht. 
Da hat Doktor Martin angefangen zu beten: „Mein himmlischer Vater! Ewiger, 
barmherziger Gott! du hast mir deinen lieben Sohn, unseren Herrn Jesum 
Christum, offenbaret; den habe ich gelehret, den habe ich bekannt, den liebe ich, 
und den ehre ich für meinen lieben Heiland und Erlöser, den die Gottlosen ver- 
folgen, schänden und schelten. Nimm meine Seele zu dir!“ Nachdem redete er 
dreimal: „In deine Hände befehle ich meinen Geist!“ und: „Also hat Gott die 
Welt geliebet.“ Indem, gnädigster Herr, als die Arzte und wir die besten 
Stärkungen brachten, begann er einmal stille zu schweigen, als sinke er dahin, und 
auf unser heftig Rufen und Rütteln antwortete er nicht. Indem aber die Gräfin 
und die AÄrzte ihm Aquavite einstrichen, begann er wieder zu antworten, doch 
schwächlich, Herr Michael Cölius und mir: „Ja“ und „Nein“. Und da wir ihm 
beide einschrien und fragten: „Allerliebster Vater, ihr bekennet ja Christum, den 
Sohn Gottes, unseren Heiland und Erlöser!“ sprach er noch einmal stark, daß 
man's hören konnte: „Jal“l:) Danach ward ihm Stirn und Angesicht kalt. Und 
wie hart man rief, rüttelte und mit dem Taufnamen nennete „Doktor Martine!“ 
antwortete er nicht mehr, tat einen sanften Odem und seufzte mit gefalteten, 
ineinandergeschlagenen Händen. Und, gnädigster Herr, daß wir mit betrübtem 
Herzen und vielen Tränen klagen, ist also in Christo entschlafen, ungefähr zwischen 
1) Luther wurde im Drachenstedtschen Hause einquartiert, das vom Rate der Stadt 
angekauft und vom Stadtschreiber Albrecht bewohnt war. 
2) In Jonas' und Cölius' Bericht über das Ende Luthers (Leipziger Ausgabe der 
Werke Luthers XXI. 694 ff.) heißt es hierüber: „Indem er aber so still ward, rief ihm 
Dr. Jonas und M. Cölius hier stark ein: Reverende Pater (ehrwürdiger Vater), wollet 
Ihr auf Christum und die Lehre, wie Ihr sie gepredigt, beständig sterben, sprach er, daß 
man es deutlich hören konnte: „Ja.“
	        
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