Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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die sie zu Pfaffen aufziehen, und wiewohl sie ihnen nicht sehr hold sind, so hätte 
doch jeder gern einen Pfaffen in seiner Familie und dünkt ihm dadurch sein 
ganzes Geschlecht selig. « ’ 
112. 
Ein Patrizierhaus zu Augsburg im 16. Jahrhundert. 
Quelle: Beatus Rhenanust), Drei Bücher deutscher Verhältnisse. 
(Lateinisch.) 
Übersetzung aus der Originalausgabe Basel 1531. S. 132. 
Welch eine Pracht ist nicht in Anton Fuggers-) Haus! Es ist an den meisten 
Orten gewölbt und mit Marmorsäulen unterstützt. Was soll ich von den weit- 
läuftigen und zierlichen Zimmern, den Stuben, Sälen und dem Kabinette des 
Herrn selbst sagen, welches sowohl wegen des vergoldeten Gebälkes als der übrigen 
Zieraten und der nicht gemeinen Zierlichkeit seines Bettes das allerschönste ist? 
Es stößt daran eine dem h. Sebastian geweihte Kapelle mit Stühlen, die aus dem 
kostbarsten Holze sehr künstlich gemacht sind. Alles aber zieren vortreffliche 
Malereien von außen und von innen Raimund Fuggers Haus ist gleich- 
falls köstlich und hat auf allen Seiten die angenehmste Aussicht in Girten 
Was erzeuget Italien für Pflanzen, die nicht darin anzutreffen wären, was findet 
man darin für Lusthäuser, Blumenbeete, Bäume, Springbrunnen, die mit Erz- 
bildern der Götter geziert sind! Was für ein prächtiges Bad ist in diesem Teile 
des Hauses! Mir gefielen die königlichen französischen Gärten zu Blois und Tours 
nicht so gut. Nachdem wir ins Haus hinaufgegangen, beobachteten wir sehr breite 
Stuben, weitläuftige Säle und Zimmer, die mit Kaminen, aber auf sehr zierliche 
Weise zusammengefügt waren. Alle Türen gehen aufeinander bis in die Mitte 
des Hauses, so daß man immer von einem Zimmer ins andere kommt. Hier 
sahen wir die trefflichsten Gemälde. Jedoch noch mehr ergriffen uns, nachdem wir 
ins obere Stockwerk gekommen, so zahlreiche und große Denkmale des Altertums, 
daß ich glaube, man wird in Italien selbst nicht mehr bei einem Manne finden: 
in einem Zimmer die ehernen und gegossenen Bilder und Münzen, im anderen 
die steinernen, einige von kolossaler Größe. Zunächst besichtigte ich die Erzbild- 
werke. Welcher antike Gott war da nicht mehrfach vertreten? Jupiter mit dem 
Blitz, Neptun mit dem Dreizack, Merkur mit Stab und Reisehut, Pallas mit der 
Agis und andere, die man vor Altertümlichkeit kaum zu erkennen vermag. Dann 
eine Münzsammlung in besonderer Ordnung. In diesem Raume befand sich nur 
ein Marmorbildnis. Es war eine Circe, die, nackt dargestellt, auf ihren rechten 
Arm gestützt dalag, rund herum Tiergestalten aus Marmor, andere verwandelte sie 
gerade mit ihrer Zauberrute in Tiere, da war noch der halbe Körper menschlich 
gebildet. . . Man erzählte uns, diese Denkmale des Altertums seien fast aus allen 
Teilen der Welt, vornehmlich aus Griechenland und Sizilien, mit großen Kosten 
zusammengebracht 
1) Er war einer der bedeutendsten deutschen Humanisten. Geb. 1485 in Schlettstadt. 
— Gest. 1547. Die hier angeführte Quelle bringt den Bericht des B.= Rh. an einen 
Freund, dessen Vermittlung er den Zutritt zum Hause Fugger verdankte. 
2) Anton und Raimund Fugger sind Neffen Jakob Fuggers des Reichen, der den 
Glanz des Hauses begründete.
	        
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