— 1893 —
wollt, vorhanden und bewiesen würde, soll niemand gefragt werden, und ob auch
gleichwohl aus der Marter die Missetat bekannt würde, so soll doch der nicht ge-
glaubt noch jemand darauf verurteilt werden.
Artikel 21. (Von „Anzeygung" deren, die mit Zauberei wahrzusagen unter-
stehen.) Item, es soll auch auf Anzeichen hin, die aus Zauberei oder anderen
Künsten wahrzusagen sich anmaßen, niemand zu Gefängnis oder peinlicher Frage
angenommen werden
Artikel 25. (Von allgemeinen Argwohnen und „Anzeygungen", so sich auf
alle Missetaten beziehen.) 1) — Erstlich, ob der Verdächtige eine solche verwegene
oder leichtfertige Person von bösem Leumund und Gerücht sei, daß man sich der
Missetat zu ihr versehen möge; oder ob dieselbe Person dergleichen Missetat
vormals geübt, unterstanden habe oder bezichtigt worden sei. Doch soll solcher
böser Leumund nicht von Feinden oder leichtfertigen Leuten, sondern von un-
parteilichen, redlichen Leuten kommen.
Zum andern, ob die verdächtige Person an gefährlichen Orten zu der Tat
verdächtig gefunden oder betreten wurde.
Zum dritten, ob ein Täter in der Tat oder dieweil er auf dem Wege dazu
oder davon gewesen, gesehen worden, und im Fall, so er nicht erkannt wäre,
soll man „Aufmerkung“ haben, ob die verdächtige Person eine solche Gestalt,
Kleider, Waffen, Pferde oder anderes habe, als der Täter obgemeldter Maßen,
gesehen worden.
Zum vierten, ob die verdächtige Person bei solchen Leuten Wohnung oder
Gesellschaft habe, die dergleichen Missetat üben.
Zum fünften soll man in Beschädigungen oder Verletzungen wahrnehmen, ob
die verdächtige Person aus Neid, Feindschaft, aufgegebene Treue oder Erwartung
einigen Nutzens zu der gedachten Missetat Ursache nehmen möchte.
Zum sechsten, so ein Verletzter oder Beschädigter aus etlichen Ursachen je-
manden der Missetat selber zeiht, darauf stirbt oder bei seinem Eide beteuert.
Zum siebenten, so jemand einer Missetat halber flüchtig wird.
Artikel 29 bis 44 bringen solche Indizien, deren jedes allein „zu peinlicher
frag gnugsam ist“.
Item, so ein überwundener Missetäter, der in seiner Missetat Helfer gehabt
hat, jemanden im Gefängnis „besagt“, der ihm zu seinen geübten erfundenen
Missetaten geholfen habe, ist auch ein Argwohn wider den Besagten .
Artikel 33. Item, so der des Mordes halber Verdächtige und Beklagte um
dieselbe Zeit, als der Mord geschehen, verdächtiger Weise mit blutigen Kleidern
oder Waffen ist gesehen worden; oder ob er des Ermordeten Habe genommen,
verkauft, vergeben oder noch bei sich hat, das ist für ein redliches Anzeichen an-
zunehmen und peinliche Frage zu gebrauchen, er könnte denn solchen Verdacht
mit glaubhaftem Anzeichen oder Beweis ablehnen; das soll vor aller peinlichen
Frage gehört werden.
Artikel 58. (Von dem Maß der peinlichen Frage.) — Item, die peinliche
Frage soll nach Gelegenheit des Argwohns der Person viel, oft oder wenig, hart
oder linder nach Ermessung eines guten, vernünftigen Richters vorgenommen
1) Hier werden Indizien aufgezählt, von denen nur mehrere zusammen die peinliche
Frage veranlassen können.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch., 1. 13