Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Unterschied gemäß den Vergehen. Verräter und Überläufer knüpfen sie an 
Bäumen auf; Schwächlinge und Feiglinge und die, welche ihren Körper schänd- 
licher Wollust preisgegeben haben, versenken sie in Moor und Sumpf und werfen 
noch eine geflochtene Hürde darüber. Die Verschiedenartigkeit der Todesstrafe hat 
den Gesichtspunkt, als ob man die Verbrechen, wenn sie bestraft werden, zeigen 
müßte, die Schändlichkeiten verbergen. Jedoch auch bei leichteren Vergehen finden 
Abstufungen in den Strafsätzen statt: wer überführt ist, wird um eine Anzahl 
Pferde oder Vieh gestraft. Ein Teil der Buße gehört dem Könige oder der Ge- 
meinde; ein Teil wird dem, zu dessen Gunsten das Gericht einschreitet, selbst oder 
seinen Verwandten gezahlt. Gewählt werden in denselben Versammlungen auch 
die Fürsten, die in Gauen und Dörfern Recht sprechen. Jeden umgeben hundert 
Begleiter aus dem Volke, um ihm mit Rat beizustehen und Ansehen zu ver- 
schaffen. 
13. Nichts, weder bei öffentlichen noch bei Privatangelegenheiten, tun sie 
unbewaffnet. Aber Waffen anzulegen verstattet die Sitte keinem, bevor nicht die 
Gemeinde sich überzeugt hat, daß er sie werde zu führen wissen. Dann schmückt 
in der Versammlung selbst entweder einer der Fürsten, oder der Vater, oder ein 
Verwandter den Jüngling mit Schild und Framea. Das ist ihre Togau), das die 
erste Ehre der Jugend: bis dahin achtet man sie dem Hause angehörig, dann der 
Eemeinde. Vorzüglich hoher Adel oder große Verdienste des Vaters verschaffen 
Auszeichnungen von seiten des Fürsten auch schon ganz jungen Leuten; sie ge- 
sellen sich zu den übrigen, die kräftiger und schon längst erprobt sind, und keiner 
schämt sich, im Gefolge erblickt zu werden. Rangstufen sogar gibt es innerhalb 
des Gefolges nach der Bestimmung dessen, an den es sich anschließt, und groß ist 
der Wetteifer, einerseits bei dem Gefolge: wer bei seinem Fürsten den ersten 
Rang behaupte, andererseits bei den Fürsten: wer die meisten und eifrigsten Ge- 
sellen habe. Darin besteht ihre Würde, darin ihre Macht, stets von einer großen 
Schar auserwählter Jünglinge umgeben zu sein, Glanz im Frieden, im Kriege 
Schutz. Und nicht bei dem eigenen Volke allein, sondern auch in den benachbarten 
Gemeinden ist Name und Ruhm dem gesichert, der sich durch ein zahlreiches und 
tapferes Gefolge hervortut. Von Gesandtschaften werden sie aufgesucht, mit Ge- 
schenken geehrt, und durch ihren bloßen Ruhm erdrücken sie meistens die Kriege. 
14. Ist es zur Schlacht gekommen, so ist es schmachvoll für den Fürsten, an 
Tapferkeit jemandem nachzustehen, schmachvoll für das Gefolge, der Tapferkeit 
des Fürsten nicht gleichzukommen. Schande aber ist es und Schimpf für das ganze 
Leben, lebendig die Schlacht verlassen zu haben, wenn der Fürst gefallen ist. 
Ihn zu verteidigen und zu schützen und auch eigene Heldentaten seinem Ruhme 
zu opfern, ist erste, heiligste Pflicht. Die Fürsten kämpfen um den Sieg, das Ge- 
folge für den Fürsten. Wenn in der Gemeinde, in welcher sie geboren sind, 
langer Friede und Ruhe die Tatkraft lähmt, so zieht die Mehrzahl des jungen 
Adels aus freien Stücken zu den Stämmen, bei welchen es gerade Krieg gibt. 
Denn lästig ist dem Volke die Ruhe, und leichter werden sie inmitten der Gefahr 
berühmt; auch halten sie nur durch Gewalt und Krieg ein großes Gefolge bei- 
sammen. Berechtigt nämlich sind sie, von ihres Fürsten Freigebigkeit jenes Roß 
#2) Tacitus vergleicht die Wehrhaftmachung des germanischen Jünglings mit einer 
römischen Sitte von ähnlicher Bedeutung. In Rom wurden die Knaben nach Zurück- 
legung des 17. Lebensjahres unter Ablegung des Knabenkleides (toga praetexta) und An- 
legung der Männertoga (toga virilis) unter die Bürger ausgenommen.
	        
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