— 10 —
zu erwarten, das sie in die Schlachten tragen, jene Framea, die den blutigen
Sieg erkämpfen soll, und die Mahlzeit mit ihren, wenn auch eben nicht aus-
gewählten, doch reichlichen Schüsseln gilt als Sold. Die Mittel zum Aufwande
geben Krieg und Raub. Das Land zu beackern oder des Jahres Segen ab-
zuwarten, dazu möchte man sie minder leicht bewegen, als einen Feind heraus-
zufordern und sich Wunden zu erkämpfen. Ja, träge und mattherzig dünkt es sie,
mit Schweiß zu erwerben, was man mit Blut erkaufen kann.
15. So oft sie nicht zum Kriege ausziehen, wenden sie nicht viel Zeit auf
die Jagd, mehr auf Ruhe, ganz dem Schlafe und dem Essen hingegeben. Die
Tapfersten und Kampflustigsten wetteifern im Nichtstun; die Sorge für Haus,
Herd und Land wird den Weibern, den Greisen und den Schwächlichsten der
Familie übertragen, sie selbst rühren sich nicht. Ein wunderbarer Zwiespalt der
Natur, daß dieselben Menschen so die Trägheit lieben und die Ruhe hassen.
Brauch ist es bei den Gemeinden, aus freien Stücken und kopfweise den Fürsten
etwas vom Ertrage ihrer Herden oder ihres Bodens darzubringen, was, als
Ehrenzoll empfangen, zugleich dem Bedarfe zu Hilfe kommt. Vorzüglich freuen
sie sich über die Geschenke benachbarter Stämme, wie sie nicht nur von ein-
zelnen, sondern auch von Gemeindewegen geschickt werden: ausgesuchte Pferde,
große Waffen, Pferdeschmuck und Halsketten. Jetzt haben wir sie auch schon Geld
anzunehmen gelehrt.
16. Daß die germanischen Völkerschaften keine Städte bewohnen, ist hin-
länglich bekannt; sie dulden nicht einmal unter sich verbundene Wohnungen. Hier
und da zerstreut, hausen sie weit voneinander, wie ihnen gerade eine Quelle, ein
Feld, eine Waldung behagt hat. Dörfer legen sie nicht nach unserer Weise an,
so daß die Gebäude aneinander stoßen und zusammenhängen; jeder umgibt sein
Haus mit einem leeren Raume, sei es zur Sicherung gegen Feuersgefahr, sei es,
weil sie des Bauens wenig kundig sind. Auch sind Mauersteine oder Ziegel bei
ihnen nicht im Gebrauch; zu allem wenden sie unbehauene Baumstämme an, ohne
Rücksicht auf Schönheit oder freundliches Aussehen. Einige Stellen bestreichen sie
sorgfältig mit einer so reinen und glänzenden Erdart, daß es wie Malerei und
bunte Linien aussieht. Sie pflegen auch unterirdische Höhlen auszugraben und
belegen sie oben mit Mist, als eine Zuflucht für den Winter und eine Vorrats-
kammer für die Feldfrüchte. Denn die Strenge des Winters wird durch der-
gleichen Anlagen gemildert, und wenn einmal der Feind kommt, so verheert er,
was offen daliegt; Verstecktes und Vergrabenes ahnt er entweder nicht, oder es
entgeht ihm eben deshalb, weil es gesucht werden müßte.
17. Als Körperbedeckung dient allen ein Mantel, durch eine Spange oder,
wenn es daran fehlt, durch einen Dorn zusammengehalten. Im übrigen un-
bekleidet, bringen sie ganze Tage am Herde und am Feuer zu. Die Reichsten
tragen zum Unterschiede einen Rock, der nicht, wie bei den Sarmaten und
Parthern:) weit und bauschig ist, sondern eng anschließt und die einzelnen Glied-
maßen gleichsam abformt. Auch Tierfelle tragen sie: die, welche hart am Rhein
wohnen, ohne Achtsamkeit, die weiter entfernten mit mehr Wahl, wie ja denn
ihnen keine Kultur durch den Handel zugeführt wird. Sie wählen sich die Tiere
aus und besetzen die abgezogenen Felle mit anderen bunt gefleckten von Tieren,
1) Sarmaten wohnten im russischen Steppengebiet bis zur Wolga; die Parther waren
ein wildes Volk im heutigen Iran.