Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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fangen worden war. Dieser sagte zu mir: „Pfaffe, lauf, du mußt sonst sterben.“ 
Auch sagte er, er wäre gut schwedisch. Ich faßte Vertrauen zu dem Rate und 
bat ihn, wenn ich liefe, sollte er mir zum Scheine nachreiten, als wenn er mich 
einholen wollte. Und also geschah es, daß ich den Kroaten entkam. Der reiche 
Kaspar aber mußte an jenem Orte elend sterben. Sie haben ihm die Kniekehlen 
entzwei gehauen. Darüber ist er an diesem Orte liegen geblieben und wurde nach 
Abzug der Feinde gefunden. 
Ich aber lief im Eichenholze ungefähr eine ganze Stunde fortwährend, konnte 
keinen dichten Busch ersehen, worin ich mich verbergen konnte, fiel endlich gar in 
eine Wasserlache. Ich war so matt vom Laufen, daß ich nicht weiter konnte. Also 
saß ich, bis es Nacht wurde, stand auf und ging immer dem dichten Gebüsch 
nach; so kam ich heraus, daß ich gen Seidenstadt hinaussehen konnte. Ich schlich 
mich ins Dorf, und weil ich Hunde bellen hörte, hoffte ich, Leute zu Haus an- 
zutreffen, aber da war niemand. Ich ging deswegen in einen Stadel und wollte 
mich zu Nacht auf dem Heu behelfen. Da schickt Gott, daß die Nachbarn, die im 
Strauchloche sich verkrochen gehabt, eben hinter diesem Stadel zusammenkommen 
und beraten, wo sie sich wieder sammeln, und wo sie hingehen wollen. Das 
konnte ich deutlich hören, stieg deswegen herab und ging auf das Haus zu. Da 
war der Bauer gerade hinein, hatte ein Licht angezündet, stand im Keller und 
rahmte die Milch ab, die er essen wollte. Ich stand oben am Loch, redete ihn an 
und grüßte ihn. Er erschrak sehr, als ich ihm aber sagte, daß ich Pfarrer zu 
Poppenhausen und von Soldaten ausgezogen wäre, trug er die Milch herauf, und 
ich bat ihn, daß er mir bei seiner Nachbarschaft von Kleidern etwas zuwege 
brächte, ich wollte mit ihnen, wohin sie auch gehen würden. Er ging aus, unter- 
dessen machte ich mich über seinen Milchtopf und leerte ihn ganz aus. Es hat 
mir mein Lebtag keine Milch so wohlgeschmeckt. Er kam nebst andern wieder, und 
brachte mir einer ein Paar alte lederne Hosen, die von Wagenteer sehr übel 
rochen, ein anderer ein Paar alte Riemenschuhe, ein anderer zwei Strümpfe, einen 
grünen und einen weißen wollenen. Diese Livree schickte sich weder für einen 
Reisenden noch für einen Pfarrer. Dennoch nahm ich's mit Dank an, konnte 
aber in den Schuhen nicht gehen, denn sie waren hart gefroren. Die Strumpf- 
sohlen waren zerrissen, und ich ging also mit ihnen mehr barfuß als beschuhet gen 
Hildburghausen. Wenn wir uns umsahen, so sahen wir, wie es im Itzgrund an 
vielen Orten lichterloh aufbrannte. Damals gingen auch Ummerstadt, Rodach, 
Eisfeld und Heldburg im Feuer zugrunde. 
JIch machte mit meiner Ankunft solchen Schrecken und Furcht zu Hildburg- 
hausen, daß sich niemand sicher wußte, obgleich die Stadt starke Wache hielt. Mir 
aber war nur die Sorge, wie ich ein ehrlich Kleid, Strümpfe, Schuhe usw. be- 
kommen möchte, ehe wir von da ausrissen. Ging deswegen unbeschuhet zum Herrn 
Bürgermeister Paul Waltz, zum Diakonus usw. und bat, mir etwas zu schenken, 
damit ich mich ehrlich bedecken möchte. Herr Waltz schenkte mir einen alten Hut, 
der war fast eine Elle hoch, entstellte mich mehr als etwas anderes, gleichwohl 
setzte ich ihn auf. Herrn Schnetters Eidam schenkte mir ein Paar Hosen, die über 
den Knien zugingen, die waren noch gut, Herr Dressel ein Paar schwarze 
Strümpfe, der Kirchner ein Paar Schuhe. Also war ich staffieret, daß ich ohne 
Scham unter so viel tausend fremden Leuten, die in der Stadt Sicherheit 
suchten, und unter den Bürgern mich durfte sehen lassen. Der Hut aber entstellte 
mich gar sehr, darum trachtete ich auf Gelegenheit, wie ich einen anderen über-
	        
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