Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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kommen möchte. Es trug sich aber zu, daß das ganze Ministerium 1), Schulkollegen 
und Rat sich heimlich vereinigt hatten, daß sie ohne Wissen der gemeinen Bürger- 
schaft nachts neun Uhr die Tore wollten öffnen lassen und davongehen mit Weib 
und Kind. Das erfuhr ich, ging deswegen in des Herrn Stadtschreibers Behausung, 
wo die Herren sich alle versammelten; niemand aber wollte meiner achten noch mich 
kennen. Ich setzte mich allein an einen Tisch im Finstern; da wurde ich gewahr, wie 
ein fein ehrbarer Hut am Nagel hing. Ich dachte, wenn dieser bei ihrem Aufbruch 
liegen bliebe, so wäre es mir gut. Geht doch ohnedies alles zugrunde nach dem 
Abzug. Und was ich wünschte und gedachte, das geriet mir. Es ging an ein 
Scheiden, Heulen und Abschiednehmen, ich legte den Kopf auf den Tisch wie ein 
Schlafender. Als nun fast jedermann im Abziehen war, hängte ich den langen 
Störcher an die Wand, tat einen Tausch und ging mit den anderen Herren hinaus 
in die Gasse. 
Da war diese Verabredung unter den Leuten offenbar geworden. Und un- 
zählig viele Leute saßen mit ihren Paketen auf der Gasse, auch viele Wagen und 
Karren waren angespannt, die alle, als das Tor aufging, mit fortwanderten. In 
Summa etliche tausend Leute zogen in Traurigkeit fort. Ich und mein Haufe 
kamen um 12 Uhr Mitternacht nach Themar, welche Stadt sich mit uns auch auf- 
machte, so daß wir abermals etliche hundert mehr wurden. Als wir gegen Morgen 
in ein Dorf kamen, wurden die Leute erschreckt, daß sie Haus und Hof auch zurück- 
ließen und mit uns fortzogen. Wir waren etwa eine Stunde in der Herberge ge- 
wesen, so kam die Nachricht, daß die Kroaten diesen Morgen wären zu Themar 
eingefallen, hätten geplündert, dem Bürgermeister den Kopf aufgespalten, die 
Kirche ausgeplündert, auch die Orgelpfeisfen auf den Markt hinausgetragen. Da 
war's hohe Zeit, daß wir gewichen waren. 
Das währte etwa fünf oder sechs Tage, da kam die Nachricht, die Feinde 
wären von Koburg aufgebrochen. Jetzt konnte ich nicht länger bleiben. Ich lief 
geschwind auf Römhild zu und kam endlich als erster nach Heldburg zurück, gerade 
da man die Erschlagenen auf einem Karren auf den Gottesacker führte. Als ich 
solches sah, ging ich auf den Gottesacker und fand siebzehn Personen in einem 
Grabe liegen, darunter waren drei Ratspersonen, eine mein Schwiegervater, der 
Kantor, etliche Bürger, der Hofmeister, Landknechte und Stadtknechte. Waren alle 
greulich zugerichtet. Nach diesem ging ich in meiner Schwiegerin Haus, da fand 
ich sie krank und vom Rädeln und Zwicken mit Pistolenschrauben so übel zu- 
gerichtet, daß sie mir kaum Rede geben konnte. Sie gab sich darein, sie müßte 
auch sterben. Darum befahl sie, ich solle mein Weib und meine Kinder, die der 
Feind mitgenommen, suchen lassen. Gern hätte ich zu Heldburg etwas gegessen, es 
war aber weder zu essen noch zu trinken da. Laufe deswegen hungrig und er- 
schrocken auf Poppenhausen zu, dort nicht allein mich zu erquicken, sondern auch 
Boten zu schaffen, die mein Weib und meine Kinder suchten und auslösten. 
Unterdessen bereiteten meine Pfarrkinder zu Poppenhausen eine Kuh, die den 
Kriegsleuten entlaufen war; diese erwartete ich mit hungrigem Magen. Da aßen 
wir Fleisch genug ohne Salz und Brot. Über der Mahlzeit kam mir Nachricht, 
mein Weib wäre gekommen, was auch wahr war. 
Anno 1634 war es noch viel ärger. Darum tat ich aus dem Weg, was ich 
konnte, gen Stelzen zum Pfarrer meine Betten, zwei Kühe, Kleider usw.; aber 
1) Die Gesamtheit der Geistlichen. 
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