Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Hättest du das gewußt, so wärest du draußen geblieben. Weil ich nun niemand 
verraten wollte, hieb mir einer mit einem Hirschfänger über den Kopf, daß das 
Blut zu den Ohren hereinlief. Zweimal in einer Stunde, nämlich in der 
Schneiderin Wittich Hof, zum andernmal in des Wildmeisters Stadel haben sie 
mir den schwedischen Trunk mit Jauche gegeben, wodurch meine Zähne fast alle 
wackelnd geworden. Denn ich wehrte mich, als man mir einen großen Stecken 
in den Mund steckte, so gut ich Gefangener konnte. Endlich führten sie mich 
mit Stricken fort und sagten, sie wollten mich aufhängen, brachten mich zum 
Mühltore hinaus auf die Brücke. Da nahm einer von ihnen den Strick, womit 
meine Füße zusammengezogen waren, der andere den Strick am linken Arme, 
stießen mich ins Wasser und hielten die Stricke, womit sie mich regierten, auf und 
nieder zogen. Da erhaschte ich die Rechenstecken, welche aber auf mich zu wichen, 
und konnte daran keinen Anhalt finden, nur daß durch Gottes Schickung mir ein 
Loch gemacht wurde, daß ich konnte unter die Brücke schlupfen. So oft ich mich 
wollte anhalten, schlugen sie mich mit gedachten Rechenstecken, daß dieselben ent- 
zwei sprangen wie ein Schulbakel. Als sie sich nun nicht allein müde gearbeitet 
hatten, sondern auch dachten, ich hätte meinen Rest, ich würde im Wasser er- 
trinken, ließen sie beide Stricke fahren. Da wischte ich unter die Brücke, und 
konnte mir keiner beikommen. Da suche ich in der Tasche und finde ein Messer- 
lein, so sich zusammenlegen ließ, das sie nicht hatten haben wollen, ob sie mich 
schon oft durchsucht. Damit schnitt ich die Stricke an beiden Füßen los und 
sprang hinunter, wo die Mühlräder liegen. Es ging mir das Wasser über den 
halben Leib. Da warfen die Schelme Stöcke, Ziegelsteine und Prügel hinter mir 
her, um mir den Rest vollends zu geben. Ich war auch willens, mich ganz 
hinauszuarbeiten gegen des Müllers hintere Tür, konnte aber nicht, entweder 
weil die Kleider voll Wassers mich zurückzogen, oder vielmehr weil Gott solches 
nicht haben wollte, daß ich da sterben sollte. Denn wie ein trunkener Mann hin 
und her taumelt, also auch ich, und komme auf die andere Seite gegen den 
hinteren Brauhof. Da sie nun merkten, ich würde im Zwinger aussteigen, laufen 
sie in die Stadt und nehmen mehr Gesellen zu sich, passen unten bei den Gerber- 
häusern auf, ob ich ihnen kommen würde. Aber als ich dieses merkte, daß ich 
jetzo allein war, blieb ich im Wasser stecken und steckte meinen Kopf unter einen 
dichten Weidenbusch und ruhte im Wasser vier oder fünf Stunden, bis es Nacht 
und in der Nacht stille wurde. Dann kroch ich halbtot heraus, konnte der Kälte 
wegen fast keinen Atem holen. Ging dann über die Brunnenröhren, den Wasser- 
fluß immer hinab und kletterte über einen Weidenstamm, daß ich die andere 
Seite erreichte. 
Acht Tage vor Pfingsten kam ich mit vielen Bürgern nach Koburg. Es war 
schon die Sage hergekommen, ich wäre totgemacht. Als ich nun selber kam, ver- 
wunderten sich Bürger und alte Bekannte. Da ich (nach langen Irrfahrten) er- 
fuhr, daß mein Weib und Kinder wieder zu Poppenhausen eingezogen waren, 
zog ich heim und war weder zu schleißen noch zu beißen um sie. Die Kinder 
waren schier vor Hunger verdorben. Sie hatten die Zeit über nicht Kleie genug 
kaufen können zu Brot.½) 
1) 1647 wurde Bötzinger Pfarrer zu Heubach, wo er 1673 im 74. Lebensjahre starb.
	        
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