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die der äußere Ozean und das unbekannte Meer hervorbringt. In nichts unter—
scheidet sich die Tracht der Weiber von der der Männer. Nur hüllen sich die
Weiber öfters in leinene Gewänder, die sie bunt mit Purpur verbrämen, und
verlängern nicht den oberen Teil des Gewandes zu Armeln; Arm und Schulter
bleiben nackt, aber auch noch der nächste Teil der Brust ist sichtbar.
18. Strenge jedoch sind dort die Ehen, und von keiner Seite möchte man
ihre Sitten mehr loben. Denn fast allein von den Barbaren begnügen sie sich
mit einer Frau . . . Mitgift bringt nicht die Frau dem Manne, sondern der
Mann der Frau zu. Zugegen sind die Eltern und Verwandten und prüfen
die Geschenke; Geschenke, nicht zum weiblichen Vergnügen der Weiber gewählt,
noch zum Schmuck der jungen Frau bestimmt, sondern Stiere, ein gezäumtes,
Pferd und ein Schild nebst Framea und Schwert. Auf diese Geschenke hin wird
die Frau in Empfang genommen; auch sie wiederum bringt dem Manne einige
Waffenstücke zu. Dies, meinen sie, sei das festeste Band, dies seien geheime
Heiligtümer, dies die Götter der Ehe. Damit das Weib nicht glaube, sie dürfe
fernbleiben mannhaften Gedanken und fern den Wechselfällen des Krieges, wird
sie, wenn sie eben die geweihte Schwelle der Ehe betritt, erinnert: sie komme,
um in Arbeit und Gefahr des Mannes Genossin zu sein, gleiches mit ihm habe sie
im Frieden, gleiches in der Schlacht zu dulden und zu wagen. Dies deutet das
Stierpaar, dies das gerüstete Pferd, dies die Waffengabe an. So habe sie zu
leben, so zu sterben: was sie empfange, müsse sie in unverletzter Würde ihren
Söhnen übergeben; ihre Schwiegertöchter sollen es empfangen und wiederum auf
die Enkel übertragen.
19. So leben sie denn in unantastbarer Keuschheit, durch keine Lockung des
Schauspiels, keine Reize des Gastmahls verführt. Der Schrift Geheimnisse sind
Männern wie Frauen unbekannt. Sehr selten kommt bei dem so zahlreichen Volke
der Ehebruch vor, dessen sofortige Bestrafung den Ehemännern anheimgestellt
ist.. Auch für verlorene Unschuld gibt es keine Verzeihung: nicht Schönheit,
nicht Jugend, nicht Reichtum vermöchte der Gefallenen einen Mann zuzuführen.
Denn niemand lacht dort über Laster, und nicht wird Verführen und Verführt-
werden Modeton genannt ... Die Zahl der Kinder zu beschränken und eins der
jüngeren zu töten, wird für einen schändlichen Frevel gehalten. Und mehr Ge-
walt haben dort gute Sitten als anderswo gute Gesetze.
20. In einem Hause, wie in dem anderen, erwachsen sie nackt und schmutzig
zu dem Gliederbau, zu der Körpergröße, die wir staunend betrachten. Die eigene
Mutter nährt jeden an ihrer Brust, und nie werden sie Mägden oder Ammen
überwiesen. Den Herrn von dem Diener durch feinere Erziehung zu unterscheiden,
ist unmöglich. Zwischen demselben Vieh, auf demselben Erdboden leben sie hin,
bis das Alter die Freigeborenen sondert, innerer Adel ihnen den Stempel aufdrückt.
Spät kommen die Jünglinge zu Liebesgenuß, und deshalb ist ihre Manneskraft
unerschöpflich. Auch mit den Jungfrauen eilt man nicht: jugendlich bleiben sie
wie jene, auch an schlankem Wuchs ihnen ähnlich: gleich kräftig gesellen sie sich
zu dem Manne, und die Kraft der Eltern kehrt in den Kindern wieder . Je
mehr Verwandte da sind, je größer die Zahl der Verschwägerten ist, desto mehr
Liebe wartet des Alters, und keine Preise stehen auf Kinderlosigkeit.
21. Die Feindschaften des Vaters oder des Verwandten so gut wie seine
Freundschaften zu erben, ist Pflicht. Doch währen sie nicht ewig ohne Versöhnung
fort. Gesühnt nämlich wird selbst der Totschlag mit einer bestimmten Anzahl von