— 13 —
verzweifelten Wurf ihre persönliche Freiheit setzen. Der Unterliegende tritt in frei-
willige Knechtschaft: sei er der Jüngere, sei er der Stärkere, binden und verkaufen
läßt er sich. So groß ist ihre Beharrlichkeit in einer schlechten Sache; sie selbst
nennen es Treue. Sklaven aus diesem Verhältnis schaffen sie durch den Handel
sort, um auch sich selbst von der Scham über den Sieg loszumachen.
25. Die übrigen Sklaven brauchen sie nicht nach unserer Art, mit bestimmter
Verteilung der Dienste durch die ganze Dienerschaft. Jeder ist Herr in seiner
Wohnung, an seinem Herde. Eine bestimmte Lieferung an Getreide oder Vieh
oder Zeug legt ihm der Herr wie einem Pächter auf, und insoweit ist der Sklave
dienstbar; die übrigen Hausdienste versehen die Frau und die Kinder. Daß sie
einen Sklaven schlagen oder mit Ketten und Zwangsarbeit strafen, kommt selten
vor; daß sie einen töten, ist nicht ungewöhnlich: nicht zur Strafe und als strenge
Herren, sondern aus Ungestim und Zorn wie einen Feind; nur steht keine Buße
darauf. Die Freigelassenen stehen nicht viel über den Sklaven: selten haben sie
einige Geltung im Hause, nie in der Gemeinde
26. Zinsgeschäfte zu treiben und bis zum Wucher auszudehnen, ist ihnen un-
bekannt, und deshalb wird es mehr gemieden, als wenn es verboten wäre. Die
Ländereien werden je nach der Zahl der Bebauer wechselweise von allen ins-
gesamt in Besitz genommen, die sie dann unter sich nach Rang und Würde ver-
teilen. Erleichtert wird die Verteilung durch die weite Ausdehnung der Feldflur.
Die Felder bewirtschaften sie jährlich wechselnd, und es bleibt noch Land übrig.
Denn keineswegs wetteifert die Bestellung mit der Fruchtbarkeit und dem Um-
fange des Bodens, so daß sie etwa Obstpflanzungen anlegten, Wiesen abgrenzten
oder Gärten künstlich bewässerten: bloß Getreide muß ihnen das Land liefern.
Deshalb scheiden sie auch das Jahr selbst nicht in gleichviel Zeiten wie wir:
Winter, Frühling und Sommer sind ihnen bekannte Begriffe und haben ihre Be-
zeichnungen; des Herbstes Name ist wie sein Segen unbekannt.
27. Bei den Bestattungen waltet keine Prunksucht. Das allein beachten sie,
daß die Leichen berühmter Männer mit bestimmten Holzarten verbrannt werden.
Den Scheiterhaufen bepacken sie weder mit kostbaren Gewändern, noch mit Wohl-
gerüchen: allen folgen ihre Waffen, einigen auch ihr Roß in das Feuer. Den
Grabhügel zu errichten, dient Rasen. Der Denkmäler hohe und mühselige Ehre
verschmähen sie als drückend für die Geschiedenen. Den Wehklagen und Tränen
machen sie bald, dem Schmerz und der Trauer spät ein Ende. Frauen zieme die
Klage, Männern treues Andenken. Dies ist das Allgemeine, was ich von aller
Germanen Ursprung und Sitte vernommen habe.
4
Die Varusschlacht.
9 nach Christo.
Quelle: Dio Cassius, Römische Geschichte (Griechisch)!). LVI, 18—21.
bersetzung: J. Horkel und W. Wattenbach a. a. O. 1. Abt. S. 164—167.
18. Die Römer hatten in Germanien einige Punkte, nicht auf einmal,
sondern wie es sich gerade traf, in ihre Gewalt gebracht, weshalb auch keine ge-
1) Der um 200 nach Christo lebende Geschichtschreiber Dio Cassius aus Nicäa in
Bithynien war seiner Lebensstellung nach eigentlich Beamter, der im römischen Staats-