— 28 —
unsere künftige Herrin ist, sehen soll, auf daß ich meinem Herrn sicher berichten
kann, wie ihre Gestalt ist.“ Wie das der König hörte, so ließ er seine Tochter
holen, und als nun Authari sie schweigend angeschaut hatte, wie schön sie war,
und sie ihm in allem sehr wohl gefiel, so sprach er zu dem Könige: „Da uns die
Gestalt deiner Tochter wohlgefällt und wir sie darum zu unserer Königin
wünschen, so möchten wir, falls es eurer Herrlichkeit beliebt, einen Becher Weins
aus ihrer Hand entgegennehmen, wie sie ihn uns später reichen wird.“ As der
König einwilligte, daß es so geschehe, so reichte Theudelinda zuerst jenem den
Becher mit Wein, der das Haupt zu sein schien, und hierauf dem Authari, von
dem sie nicht wußte, daß er ihr Bräutigam sei. Als dieser getrunken hatte und ihr
den Becher zurückgab, so berührte er, ohne daß es jemand bemerkte, ihre Hand
mit dem Finger und strich ihr mit seiner Rechten von der Stirne über Nase und
Wangen herab. Ganz schamrot erzählte das Theudelinda ihrer Amme; da sagte
diese zu ihr: „Wenn dieser Mann nicht selbst der König und dein Bräutigam
wäre, so hätte er auf keinen Fall dich zu berühren gewagt. Laß uns aber einst-
weilen stille sein, damit dein Vater nichts davon erfährt. Denn wahrlich, es ist
ein Mann, der es wohl verdiente, König zu sein und mit dir vermählt zu werden.“
Es blühte aber damals Authari in jugendlichem Mannesalter, war von edler Ge-
stalt, wallendem, hellem Haar und sehr angenehmem Antlitz.
Bald nachher machten sie sich mit königlichem Geleite wieder auf den Weg
zurück nach ihrer Heimat und zogen eilig durch das Gebiet der Noriker. Die
Provinz Norikum, welche von dem Volk der Bayern bewohnt wird, grenzt aber
gegen Morgen an Pannonien, gegen Abend an Schwaben, gegen Mittag an
Italien, gegen Mitternacht an die Donau. Als nun Authari in die Nähe der
Grenze von Italien gekommen war und die Bayern, die ihm das Geleite gaben,
noch um sich hatte, so erhob er sich, so sehr er konnte, auf dem Pferde, das ihn
trug, und stieß mit aller Macht die Streitaxt, die er in der Hand hielt, in einen
nahestehenden Baum und ließ sie darin stecken und sprach dazu die Worte:
„Solche Hiebe führt Authari.“ Wie er das gesprochen hatte, da erkannten die
Bayern, die ihm das Geleite gaben, daß er der König Authari selber sei.—
At nun nach einiger Zeit der König Garibald durch den Anzug der Franken in
Not' kam, da floh seine Tochter Theudelinda mit ihrem Bruder, der Gunduald
hieß, nach Italien und ließ ihrem Verlobten Authari ihre Ankunft melden. Der
ging ihr sogleich in stattlichem Aufzuge zur Hochzeit entgegen und traf sie auf dem
Sardisfelde oberhalb Veronas, wo am fünfzehnten Tage des Wonnemnnats unter
allgemeinem Jubel die Hochzeit gefeiert wurde.