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komme und den Fremden von da vertreibe. Und da er auf das Gesetz nicht hat
hören wollen, soll er zurücklassen, was er erarbeitet hat und überdies 1200 Denare,
das sind 30 Solidit), zu bezahlen schuldig sein.
3. So aber jemand eingewandert ist und innerhalb 12 Monate kein Einspruch
erfolgt, so möge er ruhig daselbst wohnen bleiben wie die anderen Nachbarn.
XXI. Über die Tötung von Freien. 1. So einer einen freigeborenen
Franken oder Barbaren), der nach dem salischen Gesetze lebt, getötet hat, und er
wird dessen überführt, so soll er 8000 Denare, das sind 200 Solidi, zu zahlen
schuldig sein ).
3. So einer aber einen Mann, der im Königedienste ist, oder ein frei-
geborenes Weib tötete, soll er 24000 Denare, das sind 600 Solidi, zu zahlen
schuldig sein. ·
5. So aber ein Römer, ein Tischgenosse des Königs, getötet worden ist, soll
der Mann, der dessen überführt ist, 12000 Denare, das sind 300 Solidi, zu zahlen
schuldig sein.
6. Wenn es aber kein römischer Grundbesitzer und Gast des Königs war, der
getötet worden ist, soll der Täter 4000 Denare, das sind 100 Solidi, zu zahlen
schuldig sein.
7. So einer aber einen zinspflichtigen Römer") tötete, soll er 2500 Denare,
das sind 63 Solidi, zu zahlen schuldig sein.
LIV. Über Tötung eines Grafen. 1. So einer einen Grasen getötet hat, soll
er 24000 Denare, das sind 600 Solidi, zu zahlen schuldig seins#).
LXII. Wenn der Vater einer Familie getötet ist, so sollen die eine Hälfte des
Wergeldes die Söhne erhalten, die andere Hälfte sollen die nächsten Verwandten
von Vater- und Mutterseite untereinander teilen. Wenn aber nun von einer
Seite, der väterlichen oder mütterlichen, keine Verwandten vorhanden sind, fällt
jener Teil dem Fiskus zu.
1) Die Münzeinheit war der römische Goldschilling (solidus), der 72. Teil eines
römischen Pfundes Gold. Sein Wert betrug 12,50 Mark nach unserem Gelde. Er hatte
40 fränkische Silberdenare.
#) Unter Barbar ist hier ein Germane zu verstehen, der unter den Franken wohnte.
2) Der Gedanke des Rechts war bei den germanischen Stämmen schon vorhanden.
Er kam darin zum Ausdruck, daß die im Staat geltende Ordnung bei der Gesamtheit
Anerkennung und Schutz fand. Dieser Rechtszustand war der Friede. Grundsatz war nun:
Wer den Frieden bricht, setzt sich selbst aus dem Frieden, d. h. außerhalb des Schutzes
der Gesamtheit. Die staatliche Ordnung war allerdings noch nicht so weit gediehen, daß
die Gesamtheit selbst gegen den Friedensbrecher vorging; sie gab ihn (und auch seine
Sippe) nur der Sippe des Geschädigten preis. Diese mußte sich selbst Genugtuung
schaffen: das konnte von Rechts wegen geschehen entweder durch Fehde und Rache
(Blutrache) oder durch gütliches UÜbereinkommen, indem ein Buß- oder Wergeld gefordert
und gezahlt wurde. In dem Maße, wie Staatsgewalt und Gesittung allmählich wuchsen, trat
die Blutrache zurück, und es bildeten sich feste, durch die Gewohnheit bestimmte Sätze für
das Wergeld heraus. Ganz beseitigt war indessen zu der Zeit, da das salische Gesetz auf-
gezeichnet war, die Blutrache noch keineswegs.
") Ein zinspflichtiger Römer ist Römer ohne Eigentum, der zur Kopfsteuer ver-
pflichtet war.
*) Die Höhe des Wergeldes ist der Ausdruck für die Einschätzung des Wertes des
Mannes; der königliche Beamte oder der Königsgast hat das dreifache Wergeld des
freien Saliers, während das des Unfreien und Römers erheblich niedriger ist. Für unsere
Kenntnisse der sozialen Verhältnisse sind daher diese Wergeldsätze von größtem Werte.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. 1. 3