Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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die Dünste der warmen Quellen; er übte seinen Leib fleißig im Schwimmen und 
verstand das so trefflich, daß es ihm keiner darin zuvor tat. Darum erbaute er sich 
auch zu Aachen ein Schloß und wohnte in seinen letzten Lebensjahren bis zu 
seinem Tode beständig darin. Und nicht bloß seine Söhne, sondern auch die Vor- 
nehmen und seine Freunde, nicht selten auch die ganze Schar seines Gefolges 
und seiner Leibwächter lud er zum Bade, so daß bisweilen hundert Menschen und 
darüber zusammen badeten. 
23. Er kleidete sich nach vaterländischer, nämlich fränkischer Weise. Auf dem 
Leibe trug er ein leinenes Hemd und leinene Unterhosen, darüber ein Wams, das 
mit seidenen Streifen verbrämt war, und Hosen; sodann bedeckte er die Beine mit 
Binden und die Füße mit Schuhen und schützte mit einem aus Fischotter und 
Zobelpelz verfertigten Rock im Winter Schultern und Brust; endlich trug er einen 
blauen Mantel und beständig das Schwert an der Seite, dessen Griff und Gehenk 
von Gold und Silber war. Bisweilen trug er auch ein mit Edelsteinen ver- 
ziertes Schwert, dies jedoch nur bei besonderen Festlichkeiten, oder wenn die Ge- 
sandten fremder Völker vor ihm erschienen. Ausländische Kleidung jedoch wies er 
zurück, mochte sie auch noch so schön sein, und ließ sie sich niemals anlegen. Nur 
zu Rom kleidete er sich einmal nach dem Wunsche des Papstes Adrian und ein 
zweites Mal auf die Bitte von dessen Nachfolger Leot) in die lange Tunika und 
die Chlamys?) und zog auch römische Schuhe an. Bei festlichen Gelegenheiten 
schritt er in einem mit Gold durchwirkten Kleide und mit Edelsteinen besetzten 
Schuhen, den Mantel durch eine goldene Spange zusammengehalten, auf dem 
Haupte ein aus Gold und Edelsteinen verfertigtes Diadem einher; an anderen 
Tagen unterschied sich seine Kleidung wenig von der gemeinen Volkstracht. 
24. In Speise und Trank war er mäßig, mäßiger jedoch noch im Trank; 
denn die Trunkenheit verabscheute er an jedem Menschen aufs äußerste, geschweige 
denn an sich und den Seinigen. Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam 
sein; vielmehr klagte er häufig, daß das Fasten seinem Körper schade. Hoöchst 
selten gab er Gastereien und nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten, dann 
jedoch in zahlreicher Gesellschaft. Auf seine gewöhnliche Tafel ließ er nur vier 
Gerichte auftragen, außer dem Braten, den ihm die Jäger am Bratspieß zu 
bringen pflegten, und der ihm lieber war als jede andere Speise. Während der 
Tafel hörte er gern Musik oder einen Vorleser. Er ließ sich die Geschichten und 
Taten der Alten vorlesen; auch an den Büchern des heiligen Augustinus hatte er 
Freude, besonders an denen, die „Vom Staate Gottes“ betitelt sinds). Im Genuß 
des Weins und jeglichen Getränks war er so mäßig, daß er über Tisch selten 
mehr als dreimal trank. Im Sommer nahm er nach dem Mittagessen etwas 
Obst zu sich und trank einmal; dann legte er Kleider und Schuhe ab, wie er es 
1) Dem Papst Hadrian I. (772—795) half Karl (773—774) gegen die Langobarden. 
Während die Franken vor Pavia lagen, eilte Karl nach Rom und erneuerte dem Papste 
die Pippinische Schenkung (774). 
Leo III. (795—816) war der Papst, der Karl am ersten Weihnachtstage 800 zum 
Kaiser krönte. 
*) Die Tunika war das römische Untergewand; die Chlamys war ursprünglich ein 
Mantel der alten Griechen; seit dem ersten Jahrhundert nach Christo, wo die Toga immer 
mehr außer Gebrauch kam, wurde sie auch von den Römern als Obergewand getragen. 
*) Die in dem berühmten Buche „Vom Staate Gottes“ niedergelegten augustinischen 
Ideen bilden die Grundlage von Karls eigentümlicher Auffassung seines Kaisertums als 
einer theokratischen Weltmonarchie.
	        
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