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schub gehabt. Aber am dritten Wochentage wird, indem die Strafvollzieher, die
wir Rundenmacher nennen, ihre Verschuldungen dem Schulmeister wieder ins
Gedächtnis rufen, ihnen sämtlich befohlen, sich auszuziehen. Es wird einer der zu
züchtigenden Knaben in die oberen Teile des Hauses geschickt, um die dort nieder-
gelegten Ruten herabzuschaffen. Aber derselbe riß, um sich und die Genossen zu
befreien, auf das schleunigste aus einem kleinen Ofen ein brennendes Scheit und
steckte es in die dem Dache nächsten dürren Hölzer, wobei er, soweit er Zeit
übrig hatte, das Feuer anblies. Als ihm aber die Strafvollstrecker zuriefen, warum
er zögere, rief er laut schreiend zurück, das Haus stehe in Brand, und indem so die
dürren Holzziegel, da auch der Nordwind blies, die Feuergluten erfaßten, leuchtete
das ganze Gebäude in Flammen auf. Alle Schüler, schneller als das Wort
wieder bekleidet, lassen den Schulmeister stehen, springen fort, besteigen die
Dächer. Die auseinander geworfenen Ziegel packte sogleich mit dem Feuer der
Nordwind und trug die Dahinfliegenden zunächst auf den Giebel eines gewissen
Turmes der Kirche des heiligen Gallus .. Der Turm, der über den steineren mit
hölzernen Ziegeln gedeckt war, faßte Feuer. Wunderbar war, wie mir von den
Greisen, die damals als Jünglinge anwesend waren, vernommen wurde, das Inne-
halten der Feuersbrunst, bevor das obere Dach sich entzündete. Denn mit dem
sämtlichen Geräte der Kirche führen sie alle heruntergenommenen Glocken hin-
weg In den Behausungen des Abthofes, die der Feuersbrunst kaum ent-
gangen waren, legten sie unter Wächtern sämtliches, was sie herausbringen, hin.
Ein angsterfüllter Zuschauer, lief Thieto 1) in solchem Unglück hin und her.
Als nachher die Feuersbrunst ein Ende genommen hatte, werden die den
Wänden der Kirche zunächstliegenden Teile der Asche sorgfältig gesammelt und
im vorüberfließenden Wasser gereinigt, und es ließen sich goldene Werttrümmer,
die tropfenweise schimmern, herausreißen. Eine bunte Menge von Menschen, die,
wie dies oft geschieht, aus der Nachbarschaft zusammenläuft, trägt vieles trügerisch
davon. Denn fürwahr nicht einmal die Wächter der Besitztümer selbst hielten,
wie erzählt wurde, die Treue. Viele Bücher werden geraubt, hernach weiteres.
Einige Zeit hindurch haben die Brüder weder Obdach, noch Lebensmittel.
38.
Ottos I. Krönung.
936.
Quelle: Widukind von Korvei a. a. O. II, 1 und 2.
Übersetzung: Reinhold Schottin und W. Wattelnbach o. a. O. S. 56—59,
1. Nachdem nun also der Vater des Vaterlandes und der größte und beste
der Könige, der Herr Heinrich, entschlafen war, da erkor das ganze Volk der
Franken und Sachsen dessen Sohn Odda, der schon vorher zum Nachfolger be-
zeichnet war, zu seinem Gebieter, und als Ort der allgemeinen Wahl bezeichnete
und bestimmte man die Pfalz zu Aachen Und als man dorthin gekommen
war, versammelten sich die Herzöge und die ersten der Grafen mit der übrigen
fand Gelegenheit zu allerlei lockeren, manchmal auch recht rohen Streichen, die am
folgenden Tage — das wäre diesmal der Montag, der zweite Wochentag, gewesen — hart
bestraft zu werden pflegten.
1) Über den Abt Thieto val. Seite 65. Anm. 1.