Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Stufen bist Du emporgestiegen: durch List hast Du, was doch dem Mönchsgelübde 
ganz zuwider ist, Geld Dir erworben, durch Geld die Gunst der Menge und durch 
ihre Gunst die Gewalt der Waffen. Mit Gewalt der Waffen bist Du dann dem 
Sitz des Friedens genaht und hast den Frieden selber von seinem Stuhle ver- 
jagt, indem Du die Untergebenen gegen ihre Vorgesetzten bewaffnetest, indem Du, 
der Du nicht berufen bist, unsere von Gott berufenen Bischöfe zu verachten 
lehrtest, indem Du den Priestern ihr Amt entrissen und es in die Hände der 
Laien gegeben hast, daß sie diejenigen absetzen oder verdammen, welche sie selber 
von der Hand des Herrn durch die Weihe der Bischöfe zur Unterweisung erhalten 
hatten. Mich auch, der ich, wenngleich unwürdig, doch unter den Gesalbten des 
Herrn zur Herrschaft gekrönt bin, hast Du angerührt, da doch die Uberlieferung 
der heiligen Väter lehrt, daß solche nur von Gott zu richten sind und um keines 
Fehltritts willen entsetzt werden dürfen, wir wären denn, was ferne von uns sei, 
vom rechten Glauben abgewichen. Denn auch Julian, den Abtrünnigen1), maßte 
die Weisheit der heiligen Väter nicht sich an zu richten und abzusetzen, sondern 
überließ ihn allein dem Gerichte Gottes. Er selbst, der wahre Papst, Sankt 
Peter, ruft: Fürchtet Gott, ehret den König. Du aber, weil Du Gott nicht 
fürchtest, entehrst auch mich, seinen Gesalbten. Darum hat auch der heilige Paulus, 
da wo er des Engels vom Himmel nicht verschonte, wenn er anders predigen 
würde, auch Dich nicht ausgenommen, der Du auf Erden anders lehrest. Denn er 
spricht: Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium 
predigen, anders denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht2). Du also, 
verdammt durch diesen Fluch und durch aller unserer Bischöfe und unseren eigenen 
Spruch, steig herab, verlaß den angemaßten Stuhl Petri! Ein anderer besteige 
den apostolischen Thron, der nicht Gewalt hinter frommen Gebärden verstecke, 
sondern die reine Lehre Petri verkünde. Denn ich, Heinrich, von Gottes Gnaden 
König, mit allen meinen Bischöfen, spreche zu Dir: „Steig herab, steig herab!“ 
68. Als dieser Briefs) dem Herrn Papste, da er gerade in der Lateranensischen 
Kirche der heiligen Synode") vorsaß, überbracht und öffentlich vor der Synode 
verlesen wurde, da entstand in der Kirche ein solcher Aufruhr, daß der Botschafter 
Heinrichs gliedweise zerrissen wäre und ein jämmerliches Ende genommen haben 
würde, wenn er nicht zu den Füßen des apostolischen Vaters Schutz gefunden 
hätte. Am folgenden Tage aber erklärte der Herr Papst vor derselben Synode, 
wie häufig und mit welcher Sanftmut er den König wegen seiner großen Ver- 
brechen ermahnt, mit welcher Milde er ihn gebeten und kraft seines apostolischen 
Amtes von ihm gefordert habe, daß er die Bischöfe aus der Haft entlasse, und 
welche Bitterkeit des Hochmutes ihm für seine väterliche Süßigkeit zuteil ge- 
worden sei. Als aber darauf nun alle riefen, eine solche Schmach dürfe nicht un- 
gestraft bleiben, da verdammte er mit aller Anwesenden Rat und Zustimmung 
Heinrich durch den Spruch des Sendgerichts, sprach ihm den Königsnamen und die 
königliche Würde ab und traf ihn mit dem Schwerte des Bannfluches. 
  
#) Der bekannte, außerordentlich tüchtige römische Kaiser Julian (361—363), der das 
Heidentum wiederherzustellen suchte. 
:) Galater 1, 8. 
:2) Entweder den hierher gesetzten Brief, oder die mildere Fassung (siehe S. 84, An- 
merkung 2). 
4) Die Synode fand am 22. Februar 1076 im Lateran, der damaligen Residenz des 
Papstes, statt.
	        
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