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druck nicht zu verkennen, den diese ernstliche Vorbereitung auf einen großen Teil
der Gemüter machte .. Wir umgingen Erfurt und kamen in der Nacht zum 14.
zwischen 10 und 11 Uhr eine Stunde jenseits Weimar auf der Chaussee nach Jena
an, wo unser Korps auf den Lehnstädter Höhen Halt machte. Wir fanden hier
die Spuren eines soeben verlassenen Lagers, sowie auch einen Teil der Garde
und hörten, daß die Hauptarmee hier gestanden habe, der König und das Haupt-
quartier an diesem Tage in Weimar gewesen seien und die Königin Luise sich
noch daselbst befinde. Als wir bei Erfurt vorbeizogen, kamen uns die ersten Ver-
wundeten, sowie eine Menge zerstreuter Leute und Bagage entgegen. Es waren
größtenteils Sachsen und Leute vom Regiment von Müffling, die bei Saalfeld ge-
fochten und nach ihrer Aussage sehr gelitten hatten. Sie waren ziemlich ent-
mutigt, bestätigten den Tod des Prinzen Louis Ferdinand und machten einen sehr
übeln Eindruck auf unsere Soldaten. Leider wirkte dieser Eindruck auch auf uns
Offiziere, wenn auch in anderer Art; denn es gab der Zeichen des nahen Un-
glücks zu viele, als daß sie selbst von den Unbefangensten hätten übersehen werden
können. Mit schmerzlichen Gefühlen stellten ich und mancher andere bei Gelegen-
heit dieses Marsches im vereinigten Armeekorps stille Betrachtungen an. Es war
nicht zu verkennen, unser Heerkörper war krank, und mit jedem Schritte zeigten
sich die Gebrechen einer veralteten Kriegskunst. Ohne es zu wissen, waren wir in
Schwerfälligkeit, Unbehilflichkeit und äußeren Formen untergegangen. Der größere
Teil unserer Führer war alt und abgelebt; barbarische Strenge und Grobheit
waren der Deckmantel ihrer Schwächen; bei jedem ungewöhnlichen Ereignis ver-
loren sie den Kopf, was bereits viele Beispiele bewiesen hatten, und unsere Be-
wegungen kurz vor der Schlacht zeigten, daß Offiziere wie Soldaten ihres Hand-
werks außerhalb des Exerzierplatzes ganz unkundig waren. Hiervon ein Beispiel.
Es wurde während des Marsches am 13. befohlen, daß die Bataillone ihre Seiten
durch Seitenpatrouillen decken sollten. Dies waren für viele böhmische Dörfer.
In Ermangelung leichter Truppen, und weil der leichte Dienst bei den Linien-
regimentern gänzlich unbekannt war, mußten einzelne Züge aus den Bataillonen
dazu genommen werden. Die hierzu nicht geübten Soldaten sowie nicht minder
ihre Offiziere, denen jede Bewegung außer Reih und Glied ganz neu und fremd
war, stellten sich bei der Lösung dieser Aufgabe so unbeholfen und verkehrt an,
daß es ein Greuel war, es mit anzusehen, und not getan hätte, jeden am Gängel-
bande zu führen. Stets in dichten Haufen zusammengedrängt, waren die Leute
nicht auseinander zu bringen, wußten keinen Gebrauch vom Terrain zu machen
und verloren ihre Bataillone entweder ganz aus den Augen oder klebten nutzlos
an ihnen, so daß sie bei einem unerwarteten Angriff das größte Unheil angerichtet
und sich und ihre Offiziere unfehlbar selbst auf die Köpfe geschossen haben würden.
In den Bataillonen selbst herrschte während des Marsches eine solche pedantische
Strenge, daß kein Soldat aus dem Tritt kommen und sozusagen keine andere Be-
wegung als mit den Füßen machen durfte; der Stock regierte nach Herzenslust.
Nachdem das Armeekorps in der Nacht zum 14. Oktober auf dem erwähnten
Platze bei Weimar angekommen war, erwartete jedermann, daß die Zelte auf-
geschlagen, ein regelmäßiges Lager eingerichtet und vor allem Lebensmittel aus-
geteilt werden würden. Das Gepäck war uns gefolgt, die Brotwagen hofften wir
entweder schon zu finden oder mit jedem Augenblick ankommen zu sehen; daß
am folgenden Tage eine Schlacht stattfinden würde, davon hatte man im all-
gemeinen noch keine Ahnung. Alle unsere Erwartungen wurden getäuscht. Der