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Befehl kam, die Leute könnten sich niederlegen und Feuer anmachen. Es war
eine kalte Nacht; Mangel und Hunger hatten bereits einen so hohen Grad er—
reicht, daß selbst die Sparsamsten auch nicht ein Stückchen Brot mehr besaßen und
nur das Wenige, was die Marketender herbeischleppten, für teueres Geld zu
haben war. Den Begriff Biwak kannte kein Mensch, und weder Offizier noch
Soldat vermochten sich darein zu finden, die Nacht unter freiem Himmel liegen
zu müssen, da wir doch die Zelte bei uns hatten. Noch unbegreiflicher war es,
daß nicht für die notwendigsten Bedürfnisse, nicht einmal für Holz und Stroh
gesorgt war. Es blieb indessen bei dem Befehl. Kaum waren die Gewehre zu—
sammengesetzt, so loderten Tausende von Feuern auf, wozu ein in der Nähe be—
findlicher Lustwald und die schönen Pappeln der Chaussee das Holz hergeben
mußten. Die Nacht verging unter Hunger, Kälte und ungewohnten Mühselig—
keiten. Feder sehnte sich nach dem Morgen in gewisser Erwartung, diesen Zu—
stand verbessert zu sehen. Sagen konnte man sich unter diesen Umständen wohl,
daß ein schweres Unglück nicht fern sei. Aber man täuschte und betrog sich ab—
sichtlich selbst, ja, es gab Leute unter uns, die so mit Blindheit behaftet waren,
daß sie, trotzdem bereits Blut zu unserem Nachteile geflossen war und der Krieg
uns auf den Fersen saß, die Franzosen weit weg und selbst an die Möglichkeit der
Einstellung der Feindseligkeiten glaubten. Andere, und zwar die Mehrzahl der
jungen Offiziere, die den Krieg leidenschaftlich wünschten, dachten sich die Sache
so leicht, daß es nur des Erscheinens unserer Armee bedürfe, um die Franzosen
zu Paaren zu treiben. Geringschätzung und Haß hatten alle Gemüter, jung und
alt, so eingenommen, daß die Generale und höheren Offiziere nie in einem anderen
Ton von den Franzosen sprachen, als daß sie zusammengelaufenes Gesindel seien,
die den von unserem braven Könige selbst und von Männern von Ruf angeführten
Truppen unter keiner Bedingung standhalten könnten und wie bei Roßbach zum
Teufel laufen würden. So sprach und dachte man in jenen Tagen. So sehr war
man irregeleitet von dem falschen Wahn, so umnebelt von blindem Vertrauen und
Selbstüberschätzung, daß diese Meinung zur Gewohnheit geworden war, und ich es
keinem hätte raten wollen, öffentlich eine andere auszusprechen.
Noch war es, abgesehen von den matter gewordenen Feuern unseres trau-
rigen Nachtlagers, um uns dunkel, als Kanonendonner von Jena her den ver-
hängnisvollen Tag (14. Oktober) verkündete. Ein kalter, dichter Nebel befeuchtete
die Erde und umhüllte die Gegend; das ersehnte Morgenlicht hatte sich noch nicht
durchgerungen, als alles wie infolge eines elektrischen Schlages aufsprang und zu
den Gewehren eilte. Das stärker werdende Geschützfeuer schien sich bald zu nähern,
bald zu entfernen. Es war kein Zweifel mehr, daß eine Schlacht begonnen hatte.
Schon während der Nacht war es auf der nach Jena führenden Chaussee leb-
haft und geräuschvoll hergegangen; Kanonen und Fuhrwerke rasselten hin und her.
Mit dem Nahen des Morgens wurde das Geräusch auf der Straße noch stärker.
Da wir dieser nahe lagen, konnten wir die immer mehr zunehmende Eile und
Verwirrung deutlich wahrnehmen, obgleich der Nebel nicht gestattete, zehn Schritte
um sich zu sehen. Endlich teilte die Sonne die dicken Nebelwolken und brach im
schönsten Glanze hervor. Die einzige Wohltat, die sie uns an diesem unglück-
lichen Tage erzeigte, war, daß sie uns die erstarrten Glieder erwärmte, so daß
wir Ungemach und Hunger zeitweise vergaßen. Schillers Reiterlied ertönte aus
tausend Kehlen; die Starken, und die es vorgaben zu sein, ermunterten die
Schwachen und Verzagten. So erwarteten wir jeden Augenblick den Befehl zum