Daher wurde nach Überlegung und reiflicher Beratung Bruder Konrad von
Landsberg mit einem anderen Bruder nach Kujawien zu dem genannten Herzog
geschickt, der sogleich nach dem Rate seiner Ritter und Bischöfe und mit vollem
Einverständnis der Herzogin und seiner Söhne Boleslaw, Kasimir und Semowit
ihnen und ihrem Orden im Jahre des Herrn 1226 das Land Kulm und Löbau zu
erblichem und dauerndem freien Besitz übergab, damit sie sich als eine Mauer zur
Verteidigung der Christenheit den erwähnten Heiden entgegenstellten !1). So er-
richtete der vorgenannte Bruder Konrad mit des Herzogs Hilfe auf dem gegen-
überliegenden Weichselufer, wo jetzt die Stadt Thorn liegt, auf einem Hügel eine
Verschanzung, die er Vogelsang nannte, und begann von hier aus die Feind-
seligkeiten gegen die Preußen. Nachdem er aber dem genannten Meister, Bruder
Hermann von Salza, das Geschehene mitgeteilt hatte, sandte dieser ihnen den
Bruder Hermann genannt Balke mit fünf anderen Brüdern und mehreren Kriegs-
knechten. Als diese zu gleicher Zeit in Vogelsang angekommen waren, errichteten
sie auf den Rat des erwähnten Herzogs und seiner Ritter die Burg Nessau), und
von dieser Burg aus hatten sie fast fünf Jahre hindurch sozusagen tägliche Kämpfe
mit den Preußen zu bestehen. Später, im Jahre des Herrn 1231, gingen der
Landmeister Bruder Hermann Balke und seine Brüder mit dem erwähnten Herzog
Konrad und anderen Kreuzfahrern über die Weichsel auf die Kulmische Seite,
erbauten am Weichselufer über einer laubreichen Eiche ein Bollwerk und umzogen
dieselbe mit einem Graben. Sie nannten diese Befestigung Thorn und errichteten
dort eine Stadt desselben Namens. Aber bald darauf verpflanzten sie von diesem
Orte Burg und Stadt dorthin, wo jetzt Thorn liegt. Zur selben Zeit hatten die
Preußen eine Burg namens Rogon an der Weichsel jenseit Thorns gegründet,
eine andere unterhalb Thorns, wo jetzt das alte Kulm liegt. Eine dritte Burg
hatte ein vornehmer Preuße inne, der den Christen sehr feindlich war, Pipin mit
Namen; sie lag in einem See, der noch heutigen Tages Pipinssee heißt. Von
diesen Burgen erlitten die Christen fast täglich viel Arges. Es traf sich aber einmal
mit Hilfe Gottes, daß die Kreuzbrüder mit den Preußen von der ersten Burg
zum Kampfe zusammenstießen und alle töteten mit Ausnahme des Häuptlings,
der zur Erhaltung seines Lebens die Burg übergab und zu den Kreuzbrüdern
überging; in kurzem wurde unter seiner Führung auch die untere Burg durch die
Kreuzbrüder eingenommen, und dazu überlieferte er den Pipin, seinen Schwester-
sohn, den Kreuzbrüdern. Diesen töteten sie nach Zerstörung seiner Burg auf
folgende Weise: sie schlitzten ihm den Bauch am Nabel auf, nagelten den Nabel
an einem Baum fest und ließen ihn rund um den Baum laufen, bis die Ein-
geweide sich ganz abgewickelt hatten; so kam der, der viele Christen ruchlos ge-
tötet hatte, grausam und elend ums Leben. Dieser Pipin hinterließ einen Sohn,
der Matta hieß, aber, zum Christentum bekehrt, den Namen Hermann annahm.
Dieser war demütig und gut und beständig im Glauben, und seine Nachkommen
sind heutzutage Verehrer des wahren Gottes und Bekenner des christlichen Glaubens.
Hernach kamen viele Edle, die durch den Eifer des Glaubens getrieben
wurden, nach Preußen und erbauten im Jahre 1232 im Verein mit den Brüdern
Burg und Stadt Kulm.
.15 a. Gründung eines Dorfes im ostdeutschen Kolonisationsgebiet (Teil I. Nr. 71).
1) Das geschah erst 1228.
:) An der Weichsel.
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