Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

er gab das Mahl auf dem Schlosse. Vor jedem Gange der Mahlzeit wurde mit 
Posaunen und Pfeifen geblasen; es war Überfluß an gewürzten und vergoldeten 
Gerichten, an Gebackenem und Gebratenem, und es wurde dazu welscher und 
österreichischer Wein in goldenen und silbernen Gefäßen geschenkt. Vor dem Ende 
des Mahles gedachte der Fürst milder Gabe, wie ihm geziemte. Man trug silberne 
und goldene Becher als Ehrengeschenk auf; die goldenen erhielten zwei Ritter und 
ein edler Knecht, die nach Wappenrecht zu den edelsten ihres Landes gehörten, 
ein Holsteiner, ein Hesse und ein Pole. Außer ihnen empfingen die Herolde und 
die fahrenden Leute ihre Becherlein. „Leert sie!“ rief man ihnen zu. „Gott 
vergelt' es!“ Auch ich erhielt meinen Teil. Darauf wurde zehn Tage gerastet und 
viel Hof gehalten. Auch der Meister gab nach dem alten Brauch das Hochmahl 
auf dem Saale zu Königsberg 
Darauf gebot man eine Reise in die Litau; denn darum waren wir aus 
fernem Lande gekommen. Der Marschalk und die Führer verordneten, jeder mußte 
sich auf reichlich drei Wochen mit Kost versorgen, die auf Pferden und Schiffen 
fortgebracht werden sollte. Man sparte kein Geld und kaufte ein mehr, als not 
war. Da brach der Meister auf und begann die Fahrt zu Ehren dem Oster- 
reicher und der Gottesmutter. Das Heer zog durch Samland vor Insterburg 
und zog von da bis an die Memel. Dies ist ein Wasser von der Breite eines 
Bogenschusses; da stieg man auf die Schiffe, von denen 610 bereit waren. Die 
Schiffer hatten schwere Arbeit von Mittag bis zur Vesperzeit, um mehr als 30000 
Menschen überzusetzen und zu schwemmen. Dort ertranken nicht mehr von dem 
Heere als drei Pferde und ein Krecht, die ließen wir dem Wasser zur Letze 
(Scheidetrunk). 
Das Heer war eifrig, an die Heiden zu kommen, und es waren da wohl 
tausend Mann, welche mit den Axten den Weg räumten durch die Hecken in der 
Wildnis; es ging über Graben und Feld, durch tiefes Wasser, Bruch und Bach. In 
Ungarn ist man auf ebener Heide nicht so böse Fahrt gewöhnt. Großes Leid 
tat uns Moos und Moor. Das Heer zog quer durch die Wustung; man saß auf 
und stieg ab, zog hin und her; bald mußte das Roß hohe Sprünge machen, dann 
mußte man durchschlüpfen und sich bücken; die Aste hielten manchen an seinem 
Kragen fest; der Wind hatte viele große Bäume niedergerissen, und wir mußten 
mit Gewalt über die Baumstämme, ob es wohl oder weh tat. In dem Gedränge 
hörte man oft den Schrei: „Die Preußen überfallen uns!“ Pferde und Saum- 
tiere, die mit Kost und Getränk beladen waren, wurden vorwärts gezerrt; mancher 
ward wund, den man zu sehr quetschte; Knie und Bein wurden verstaucht. Da 
hörte Spaß und Lachen auf; auch die Pferde wurden sehr verstaucht, und manches 
mußte hinken. 
So sank der Tag; die Nacht nahte, und man mußte auf Herberge denken; 
aber gutes Gemach war dort nicht zu finden; die Pferde hatten nur Gras zu 
fressen. So verbrachte man die Nacht; am Morgen früh aber eilte man fröhlich 
in das Land der Heiden; man trieb die Rosse und rannte. Zuvorderst die Renn- 
fahne Ragnit, nach Landessitte; darauf folgte St. Georgs Fähnel, dann das Panier 
von Steierland, dann die reich gezierte Fahne des Meisters, dabei das Banner von 
Osterreich. Viele Banner flederten in den Lüften; die stolzen Helden führten 
Kränze und Straußenfedern auf ihren Helmen; wer einer edlen Frau in Minne- 
dienst gesellt war, dem hatte ihre Gunst Kleinode von Gold, Silber, Edelstein und 
Perlen geschenkt, die glänzten auf den Eisenhauben hell gegen die Sonne.
	        
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