Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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die Ordensgebietiger den König sofort angegriffen, so mochten sie Gut und 
Ehre erworben haben. Das geschah leider nicht; sie wollten auf sie warten und 
ritterlich mit ihnen streiten. Und der Ordensmarschall sandte dem Könige durch 
Herolde zwei bloße Schwerter zu1), daß sein Heer sich nicht ferner im Walde ver- 
berge, sondern, um Streites zu pflegen, hervorkäme auf das Feld. Da zog die 
Heidenschaft zuerst in den Kampf, und durch die Gnade des Herrn wurde sie 
sofort geschlagen. Die Polen kamen ihnen aber zu Hilfe, und es erhub sich ein 
großer Streit. Der Meister schlug sich mit den Seinen dreimal durch mit Macht, 
und der König war gewichen, also daß das Ordensheer den Siegesgesang anhub: 
„Christ ist erstanden.“ Da, als die Ordenskrieger müde waren, sprengten des 
Königs Hilfsvölker und Söldner herbei, stießen von der einen Flanke auf sie; 
zugleich drangen die Heiden auf die andere ein. So umfaßten sie die Feinde. 
Und sie erschlugen den Meister und die großen Gebietiger und gar viele Brüder 
des Ordens, wobei sie es auf niemand anders absahen, als auf die Brüder und 
die Pferde; die Fahnen des Meisters und des Ordens warfen sie zu Boden. 
Etliche Bösewichter, Ritter und Knechte des Kulmerlandes, unterdrückten ihr 
Banner und mehrere andere und entwichen aus dem Streithaufen wie Ver- 
räter:). Nun wurden die Streiter des Ordens von Tataren und Polen in die 
Flucht geschlagen, also daß der König mit den Seinen das Feld behielt. Hätte 
man ihn nicht zu gering geachtet, wären des Ordens Sachen besser bestellt ge- 
wesen. So griff der Meister immer mit seiner ganzen Streitmacht den König an, 
während dieser mit neuen, frischen Haufen stritt. Das brachte dem Orden großen 
Schaden und dem Könige und den Seinen Glück. 
Da der Kampf nun beendet war und der Meister Ulrich von Jungingen tot 
dalag samt dem obersten Marschall, Großkomtur und Treßler zeigte es sich, daß 
von den Gebietigern niemand davon gekommen war, als die Komturen von 
Danzig und Balga; die anderen waren alle erschlagen; nur wenige wurden ge- 
fangen genommen von Komturen, Vögten, Pflegern und anderen Brüdern 
Von den Leuten, die zu Pferde und zu Fuß aus allen Gebieten bei Leib, Gut 
und Ehre zum Streite gezogen waren, wurden ohne Zahl soviel erschlagen, daß es 
Gott erbarmen mußte. Als nun der Streit vorüber war, blieb der König zwei 
Tage auf der Walstatt und ließ die Erschlagenen plündern und die Gefangenen 
in Gewahrsam bringen. Den Leichnam des Hochmeisters ließ er vor seinem Zelte 
niederlegen, allem Volke zur Schmach; danach sandte er ihn gen Osterode, von 
wo er am vierten Tage nach dem Streite nach Marienburg gebracht wurde. 
Großer Jammer kam über das ganze Land Preußen; denn Ritter und 
Knechte und die großen Städte des Landes wandten sich alle dem Könige zu, 
trieben die Brüder, die noch geblieben waren, von den Häusern und gaben 
diese dem Könige und schwuren ihm alle Mannschaft und Treue. Der König 
gewann sie alle mit Briefen, Versprechungen und Gnaden; nie ist in einem 
Lande von so großer Untreue und schneller Wandlung gehört worden als da- 
mals, da das Land dem Könige untertänig ward binnen einem Monate. Da zog 
der König von dannen und nahm dem Orden diese Häuser und Gebiete: Osterode, 
Christburg, Elbing mit allen Städten und Häusern derselben Gebiete, und jeder- 
1) Das war die heroldsmäßige Form der Kriegserklärung, keine Handlung besonderen 
Übermuts. 
2) Hauptsächlich wohl Angehörige des adeligen Eidechsenbundes, der 1397 im Kulmer 
Lande gegründet ward.
	        
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