Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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4. 
Das Wartburgfest. 
1817. 
Quelle: Bericht des Professors Oken aus Jena über das Fest. 
Fundort: Die „Isis“. Jahrgang 1817. XI. u. XII. 195.1) Nachbildung bei L. Stacke. Deutsche Geschichte 
7. Auflage. Bielefeld und Leipzig 1896. Bd. 2. Bei S. 684. 
Der Studentenfrieden auf der Wartburg. 
Der Vergünstigung Sr. Kgl. Hoheit unseres durchl. Großherzogs gewiß, 
haben die Behörden und Bürger von Eisenach alle Anstalten getroffen, den Auf- 
enthalt den zum heiligen Frieden wallenden Studenten billig, bequem und 
angenehm zu machen. Sie wurden auf drei Tage, für den 17., 18. und 19. Ok- 
tober einquartiert. Der Rittersaal auf der Wartburg wurde mit Laubkränzen ver- 
ziert und mit Tafeln und Sitzen für 7—800 Menschen versehen. Soviel waren 
etwa beim Mittagsmahle am Siegestag, uns andere mitgezählt. Es waren aber 
gekommen von Berlin, Erlangen, Gießen, Göttingen, Halle, Heidelberg, Jena, 
Kiel, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen und Würzburg. 
Am 19. zogen die auf dem Markt um 9 Uhr versammelten Studenten auf 
die Burg, die Fahne und Musik voraus. Wir mit ihnen. Der Professoren, welchen 
dieses Fest am Herzen lag, die den Keim eines großen Fruchtbaumes darin er- 
blickten und daher gekommen waren, um an dem Handeln, Benehmen und den 
Vorgängen zu ersehen, was von dessen Gedeihen zu erwarten sein möchte, waren 
unserer vier, Fries, Kieser, Schweitzer und wir. Man wies uns den Stand den 
Sprechern gegenüber an. 
Als alles zur Ruhe gekommen war, hielt ein Student ungefähr diese Rede: 
über den Zweck der Zusammenkunft der gebildeten Jünglinge aus allen Kreisen 
und Volksstämmen des deutschen Vaterlandes, über das verkehrte Leben früher, 
über den Aufschwung und die erfaßte Idee des deutschen Volkes jetzt, über ver- 
fehlte und getäuschte Hoffnungen, über die Bestimmung des Studierenden und 
die gerechten Erwartungen, welche das Vaterland an sie mache, über die Ver- 
waistheit und gar Verfolgtheit der sich den Wissenschaften widmenden Jugend; 
endlich wie sie selbst bedacht sein müsse, unter sich Ordnung, Regel und Sitte, 
kurz Burschenbrauch einzuführen, ernstlich und gemeinschaftlich bedacht sein müsse 
auf die Mittel und Wege, ihrer Bestimmung mit Würde entgegenzugehen, die 
Blicke des erwachsenen Volkes, das leider nichts mehr zu erreichen vermag, ge- 
tröstet und aufmunternd auf sie zu lenken und ihm einst zu werden, was es will, 
daß sie soll. — Die Anwesenden und wir Männer waren zu Tränen gerührt — 
aus Scham, daß wir nicht so getan, aus Schmerz, daß wir an solcher Trauer 
1) Der Hofrat Lorenz Oken (eigentlich Ockenfuß, 1779—1851), Professor der Natur- 
wissenschaft in Jena, gab seit 1816 die „Isis“ heraus, ein Blatt mit vorwiegend natur- 
wissenschaftlichem Inhalt. In ihr erschienen vielfach Beschwerden, die anderswo nicht ver- 
öffentlicht werden durften; die Regierung in Weimar drückte ein Auge zu. Doch mußte 
Oken später seine Lehrtätigkeit aufgeben, und seine Zeitschrift wurde in Weimar ver- 
boten. Sie erschien in Rudolstadt bis zum Jahre 1848. — Diese Nummer machte solches 
Aufsehen, daß man sich bei ihrer Ausgabe in der Druckerei zu Jena um sie riß, und als 
am folgenden Tage die Konfiskation ausgesprochen wurde, zahlte man einen Dukaten und 
mehr für das Exemplar. Die Vernichtung der Nummer wurde so vollkommen ausgeführt, 
daß die Exemplare zu den größten Seltenheiten gehören. 
 
	        
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